Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft

Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft

Titel: Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft
Autoren: F. Paul Wilson
Vom Netzwerk:
Er schien gegen die Rückseite von Jacks Schädel zu starren.
    »Ich habe gesagt, dass ich es tue.«
    »Und ich glaube Ihnen. Bringen Sie mir die Halskette, sobald Sie sie gefunden haben.«
    »Sicher. Sobald ich sie gefunden habe.«
    Sicher. Als er das Krankenhaus verließ, überlegte er, warum er einem Fremden seine Hilfe zugesagt hatte, wo doch Gias Tante auf seine Dienste zählte. Es war immer wieder das Gleiche – er ließ sich jedes Mal bequatschen!
    Scheiße!
     
    5
     
    Sobald er wieder in dem abgedunkelten Krankenzimmer war, zog Kusum einen Stuhl zu sich heran und nahm neben dem Bett Platz. Er ergriff die faltige Hand auf den Laken und musterte sie. Die Haut war kühl, trocken, wie Pergament. Darunter schien sich keinerlei Fleisch, nur Knochen zu befinden. Und ihre ganze Kraft war ebenso aufgezehrt.
    Trauer überkam ihn.
    Kusum blickte hoch und sah das Flehen in ihren Augen. Und die Angst. Er tat sein Möglichstes, die eigene Angst zu verbergen.
    »Kusum«, sagte sie auf Bengali. Ihre Stimme war ein mitleiderregendes Flüstern. »Ich sterbe.«
    Das wusste er. Und es zerriss ihn innerlich.
    »Der Amerikaner wird sie dir zurückbringen«, sagte er sanft. »Man hat mir gesagt, er ist sehr gut.«
    »Unglaublich gut.« Das waren Burkes Worte gewesen. Kusum hasste aus Prinzip alle Engländer, musste jedoch zugeben, dass Burkes kein Trottel war. Aber spielte es eine Rolle, was Burkes gesagt hatte? Die Aufgabe war unmöglich. Jack war so ehrlich gewesen, das zuzugeben. Aber Kusum musste etwas unternehmen!
    Selbst wenn ein Scheitern absehbar war, musste er nach jedem Strohhalm greifen!
    Er ballte seine verbliebene Hand zur Faust. Warum musste das geschehen? Und warum gerade jetzt? Wie er dieses Land und seine oberflächlichen Bewohner hasste. Fast so sehr wie die Briten. Aber dieser Jack war anders. Er bestand nicht nur aus wahllosen Versatzstücken wie seine Landsleute. Kusum hatte ein komplexes Ganzes in ihm gespürt. Handyman Jack war nicht billig, aber Geld bedeutete nichts. Schon das Wissen, dass da draußen jemand auf der Suche war, spendete ihm Trost.
    »Er wird sie dir zurückbringen«, sagte er und tätschelte die kraftlose Hand.
    Es schien, als habe sie ihn nicht gehört.
    »Ich sterbe«, flüsterte sie.
     
    6
     
    Jack fühlte sich unwohl mit so viel Geld in der Hosentasche. Er ging einen halben Block westlich zur 10th Avenue und dann Richtung Zentrum. Seine Hand tastete sich immer wieder zu der Gesäßtasche zurück, er hakte mehrmals einen Daumen hinein, um sich zu vergewissern, dass der Umschlag noch da war. Was sollte er jetzt damit anfangen? Bei solchen Gelegenheiten wünschte er fast, er besäße ein Bankkonto. Aber wenn jemand ein Konto eröffnete, verlangten die Leute in den Banken immer eine Sozialversicherungsnummer.
    Er seufzte leise auf. Das war einer der größten Nachteile, wenn man außerhalb des gesellschaftlichen Netzes lebte. Ohne eine Sozialversicherungsnummer waren einem zahllose Dinge verwehrt. Man konnte keinen normalen Beruf ausüben, konnte keine Aktien kaufen oder verkaufen, konnte keinen Kredit aufnehmen, keine Immobilien besitzen, keine Krankenversicherung abschließen … Die Liste war noch erheblich länger.
    Mit dem Daumen lässig in der Gesäßtasche blieb er vor einem heruntergekommenen Bürogebäude stehen. Er hatte sich hier ein vielleicht zehn Quadratmeter großes Büro gemietet – das kleinste, das er finden konnte. Er hatte weder den Makler noch jemand anderen, der mit dem Büro zu tun hatte, je getroffen. Dabei wollte er es auch weiterhin belassen.
    Er nahm den quietschenden Fahrstuhl in den vierten Stock und stieg aus. Der Korridor war leer. Das Büro hatte die Nummer 412. Jack ging zweimal an der Tür vorbei, bevor er seinen Schlüssel hervorzog und sich schnell einließ.
    Es roch immer gleich alt und staubig. Auf dem Boden und den Fensterbänken hatte sich eine Staubschicht gebildet. In den Ecken sammelten sich Wollmäuse. Der Raum hatte nur ein Fenster, bei dem eine der oberen Ecken von einem verlassenen Spinnennetz zugesponnen war. Hier arbeitete niemand!
    Es gab keine Möbel. Auf dem nackten Fußboden lagen nur ein paar Briefumschläge, die durch den Postschlitz eingeworfen worden waren, und die Plastikabdeckung einer Schreibmaschine, unter der Kabel herauslugten, die zu dem Telefonanschluss und der Steckdose in der rechten Wand führten.
    Jack sammelte die Briefe ein. Drei davon waren Rechnungen, alle adressiert an Jack Finch, zu Händen seines Büros. Der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher