Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)

Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)

Titel: Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
Autoren: Sylvie Wolff
Vom Netzwerk:
nicht an die Wand, Beelzebub, mir ist auch so schon schlecht!
    Kurz darauf war Ingo zurück, einen Stapel Papiere in der einen und die Startnummer in der anderen Hand.
    „Wie viele Teilnehmer gibt es denn?“, wollte ich wissen.
    „Gemeldet sind 1196.“
    Meine Beine wurden Pudding. Eispudding. „So viele?“
    „Erfahrungsgemäß kommen aber nicht alle.“
    „Wie beruhigend. Und welche Nummer hab ich? Hoffentlich schön weit hinten, am besten 1000 oder so. Dann fällt es nicht auf, wenn ich irgendwann fehle.“
    Ingos Gesicht blieb unbewegt – da war was im Busch!
    „Nun sag schon: Welche Nummer?“
    „Ach, nicht so wichtig. Steck sie einfach ans Trikot und denk an die Ziellinie. Warte, ich helf dir … Die Sicherheitsnadeln sind wirklich winzig klein und mit deinen kalten Fingern machst du sie noch kaputt.“
    Ich schielte trotzdem hin – und bereute es sofort. „Achtundzwanzig?“ Entsetzt ließ ich das Stoffquadrat mit der aufgedruckten Nummer fallen. „Was denken die denn, wer ich bin? Dieter Baumann oder was?“
    Ingo hob die Startnummer auf, strich sie glatt und fixierte sie trotz heftiger Gegenwehr am Trikot. „Hör auf zu zappeln, Yvi, ohne Nummer kannst du nicht starten.“
    „Wer sagt denn, dass ich das überhaupt will?“
    „Die Nummer sagt gar nichts über dein Ranking aus“, erklärte er, „die wird ausgelost. Aber soweit ich weiß, rührt Andrea heftig die Werbetrommel für seinen Star, und hat dich groß angekündigt.“
    „Wie groß genau?“, bibberte ich.
    „Ganz groß. Mit Presse und Fernsehen und allem Drum und Dran. Ich hab dir ja gesagt, du sollst ihm hin und wieder einen Brocken vorwerfen, jetzt hast du den Salat.“
    Yvi kommt in den Kna-ast!
    „Er nutzt dich als Werbetrommel für sein Blatt“, fuhr Ingo fort. „Und wie es aussieht, geht seine Rechnung auf. Hat überall erzählt, dass du in der ersten Reihe startest.“
    Eishände. Bleifüße. Blitze im Hirn. Und das unwiderstehliche Verlangen, entweder jemanden zu schlagen oder mich umgehend in Luft aufzulösen. Meine Lippen zitterten so sehr, dass ich kaum ein Wort herausbrachte.
    „Erste Reihe?“
    „Jepp.“
    „Erschießt du ihn für mich? Ich kann leider nicht, weil ich grad sterbe.“
    Statt jetzt wie John Wayne eine Pistole aus dem Halfter zu ziehen, nahm Ingo mich in seine Arme und strich mir beruhigend über den Rücken.
    „Es hat auch Vorteile, mit der ersten Gruppe zu starten“, brummte er, die Lippen ganz nah an meinem Ohr. Sein Atem strich warm und ruhig über meinen Hals und taute mich langsam auf. „Der Trupp ist relativ klein und du musst dich nicht mit dem Hauptfeld rumärgern, das darf nämlich erst später los.“
    „Und wer hat die Ehre, in diesem ersten Feld zu starten?“
    „Alle Profis. Oder wer dafür gehalten wird.“
    „Erschieß mich.“
    „Da weiß ich etwas Besseres.“ Vorsichtig nahm er mein Gesicht in die Hände und zog es zu sich heran. Ein langer Blick, der dem von Andrea in nichts nachstand, dann näherten sich seine Lippen, legten sich zärtlich auf meine und …
    Nein, kein leidenschaftlicher Kuss, leider! Dabei hätte mich das vielleicht tatsächlich ablenken können oder wenigstens den Kreislauf auf Vordermann gebracht. So aber bekam ich von seiner Mund-zu-Mund-Beatmung lediglich einen Hustenanfall und schlechte Laune.
    „Willst du mich umbringen?“
    Er grinste, küsste mich noch einmal auf die Wange und zog mich dann hinter sich her. „Schon besser. Löwe steht dir besser als Kaninchen.“
    „Wie viel später startet denn das Hauptfeld?“, fragte ich trotzig. Sein blöder Rettungsversuch hatte die ganze Stimmung verdorben.
    „Eine Minute. Aber tröste dich, es sind auch etliche Läufer dabei, die einfach nur mitlaufen und bis zum Ende durchhalten wollen, so wie du. Die meisten brauchen deutlich länger als zwei Stunden für die 21 Kilometer, du findest dich also in bester Gesellschaft.“
    „Länger als zwei Stunden? Und was erwartet man von der Vorhut?“
    „Denk nicht drüber nach sondern lauf.“
    „Wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, wenn ich nicht nochmal von dir gerettet werden will“, giftete ich. „Aber ich hab einen anderen Plan: Du gehst jetzt zu diesem Melde-Dingsda und sagst ihm, dass Andrea totalen Blödsinn über mich verbreitet hat. Dann verfrachtet ihr mich in die letzte Reihe und der Albtraum hat ein Ende. Oder noch besser, du meldest mich krank, Magen-Darm-Grippe oder so.“
    Irgendwie sprang meine Begeisterung nicht über. „Zu spät,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher