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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät
Autoren: Nele Neuhaus
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berichtete er.
    Â»Gut. Der Chef unseres Toten ist gekommen. Wie machen wir’s?«, fragte Pia ihren neuen Kollegen.
    Â»Du fragst, ich höre zu«, erwiderte der.
    Â»Okay.« Sie war erleichtert, dass es mit Cem Altunay offenbar kein Kompetenzgerangel wie mit Behnke geben würde, der bei jeder Ermittlung und Befragung kleinlich auf seinen Status als Dienstältester gepocht hatte. Wenig später kam ein hochgewachsener breitschultriger Mann in Begleitung des Polizeibeamten quer durch die Halle. Der ekelerregende Geruch und die Nachricht, dass in seiner Firma ein Mitarbeiter zu Tode gekommen war, hatten ihm die Farbe aus dem Gesicht gewischt. Doch bevor er sich Pia vorstellen konnte, erwachte die Frau, die den Toten gefunden hatte, aus ihrer Erstarrung. Sie sprang von ihrem Stuhl auf und stürzte mit einem unartikulierten Klagelaut auf ihren Chef zu, der sie zuerst irritiert anblickte, sie dann aber in die Arme schloss und ihr tröstend die mageren Schultern tätschelte. Nur mit sanftem Nachdruck gelang es Cem Altunay, die schluchzende Frau zum Loslassen zu überreden. Die Mitarbeiter, die sich weiter vorne in der Halle hinter der Absperrung drängten, verstummten pietätvoll. Der Chef der WindPro war sichtlich betroffen, hatte sich aber im Griff.
    Â»Pia Kirchhoff vom K 11 in Hofheim, das ist mein Kollege, Cem Altunay«, stellte Pia sich vor.
    Â»Stefan Theissen«, erwiderte er. »Was ist passiert?«
    Theissens Händedruck war fest und ein wenig schwitzig, was Pia ihm angesichts der Umgebungstemperatur und der Aufregung nicht verdenken konnte. Sie musste zu ihm aufblicken. Er war mindestens eins neunzig groß und sah ziemlich gut aus. Der herbe Duft seines Rasierwassers verdrängte für einen Moment den Leichengeruch. Sein akkurat gescheiteltes Haar war noch feucht, die Haut an seinem Hals über dem Hemdkragen leicht gerötet vom Rasieren.
    Â»Ihr Nachtwächter, Herr Grossmann, hatte offenbar einen tödlichen Unfall.«
    Pia beobachtete Theissen, gespannt auf seine Reaktion.
    Â»Das ist ja schrecklich. Wie … was … ich meine …« Er verstummte betroffen. »Großer Gott.«
    Â»Nach unseren bisherigen Erkenntnissen stürzte er die Treppe hinunter«, fuhr Pia fort. »Aber lassen Sie uns das Gespräch doch besser woanders weiterführen.«
    Â»Ja. Wollen wir in mein Büro gehen?« Theissen blickte Pia fragend an. »Es ist im dritten Stock. Wir können den Aufzug nehmen.«
    Â»Besser nicht. Wir warten noch auf die Kollegen von der Spurensicherung. So lange darf auch niemand das Gebäude betreten.«
    Â»Was ist mit meinen Mitarbeitern?«, wollte Theissen wissen.
    Â»Sie können heute leider erst etwas später anfangen«, erwiderte Pia. »Bis wir den Unfallhergang genau rekonstruiert haben.«
    Â»Wie lange wird das dauern?«
    Immer dieselbe Frage. Und Pia gab wie immer dieselbe Antwort.
    Â»Das kann ich Ihnen noch nicht genau sagen.«
    Sie wandte sich an Cem Altunay.
    Â»Cem, sagst du Bescheid, dass sie mich anrufen, wenn die Spurensicherung eingetroffen ist?«
    Es war ein komisches Gefühl, diesen Fremden so selbstverständlich zu duzen. Irgendwie kam er Pia noch nicht vor wie ein Kollege. Vielleicht fiel ihr die Routine auch deshalb nur schwerer als sonst, weil sie gestern um diese Zeit noch so weit weg gewesen war. Sie dachte flüchtig an Christoph und berührte mit dem Daumen den Ring an ihrem Finger, der nicht einmal dem scharfäugigen Henning aufgefallen war. Zu gerne hätte sie noch einen Moment in der Erinnerung an ihre letzte Nacht in China verweilt, da wurde ihr bewusst, dass Theissen sie abwartend anblickte.
    Cem kehrte zurück, und sie folgten dem Chef der WindPro in ein Besprechungszimmer im Erdgeschoss.
    Â»Setzen Sie sich doch bitte.« Theissen wies auf den Konferenztisch. Er schloss die Tür und stellte seinen Aktenkoffer ab. Bevor er sich ebenfalls setzte, knöpfte er sein Jackett auf. Kein Gramm Fett zu viel, konstatierte Pia, obwohl er knapp fünfzig sein musste. Vermutlich joggte er jeden Morgen, aber er konnte auch zu den Radfahrern gehören, die in aller Herrgottsfrühe mit einem Mountainbike durch den Taunus rasten. Der erste Schock war überwunden, Theissen entspannte sich etwas, und die Farbe kehrte allmählich in sein Gesicht zurück.
    Â»Wie kann ich Ihnen helfen?«
    Â»Eine Ihrer Mitarbeiterinnen hat die Leiche von Herrn
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