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Wer nichts weiß, muss alles glauben (German Edition)

Wer nichts weiß, muss alles glauben (German Edition)

Titel: Wer nichts weiß, muss alles glauben (German Edition)
Autoren: Werner Gruber , Heinz Oberhummer , Martin Puntigam
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Langzeitstudie STEP. (STEP steht für „Study of the Therapeutic Effects of Intercessory Prayer“ – Studie zum therapeutischen Einfluss fürsprechenden Betens.)
    Es handelt sich dabei um die bislang ausführlichste Studie zu der Frage, ob für jemanden zu beten tatsächlich seine Heilungschancen erhöht, sie umfasste 1800 Bypass-Patienten, die operiert wurden, und dauerte fast zehn Jahre. Fragen Sie nicht, warum man so was nach 2000 Jahren Christentum noch macht, da könnte man eigentlich wissen, dass beten nicht der Schlüssel zum Glück ist angesichts der letzten zwei Jahrtausende, aber bitte. Bevor man betet, kann man von mir aus auch übers Beten forschen. Hauptsache, die Kinder nehmen keine Drogen ...
    Wie wurde geprüft?
    Gläubige sollten für die Bypass-Patienten beten, das Fürsprachegebet durften sie frei nach ihrer religiösen Gewohnheit gestalten. Einzige Bedingung: Im Gebet musste die Bitte um „eine erfolgreiche Operation mit einer schnellen gesundheitlichen Genesung und ohne Komplikationen“ enthalten sein. Theologisch natürlich eine Frechheit, so ein Pipifax-Kindergebet, aber man kann getrost davon ausgehen, dass die Menschen in der Regel nicht um viel mehr beten als um ihren eigenen Vorteil.
    Die 1800 Probanden wurden in drei Gruppen von jeweils rund 600 Operationskandidatinnen und -kandidaten aufgeteilt: Für Gruppe eins wurde gebetet, sie wusste aber nichts davon. Für Gruppe zwei wurde nicht gebetet. Die 600 Probanden der dritten Gruppe wurden in die Gebete ihrer Kirchen-Gemeinden eingeschlossen und darüber informiert, dass für sie gebetet würde.
    Das Ergebnis: In Gruppe eins und zwei traten ungefähr in gleich vielen Fällen Komplikationen auf. In Gruppe drei aber traten in deutlich mehr Fällen Komplikationen auf, und zwar um fast zehn Prozent mehr.
    Warum war das so?
    Es entsteht ein gewisser Stressfaktor, der die Genesung behindern kann. Der Patient mag sich denken: „Die beten für mich, also muss es mir wirklich schlecht gehen.“ Oder: „Ich muss schnell gesund werden, weil die ja alle für mich beten.“ Oder er denkt sich: „Wenn die jetzt auch noch beten für mich, dann schleich ich mich endgültig.“ Wie auch immer.
    Dass Gebete wirkungslos sind, ist nicht besonders sensationell, das war zu erwarten, aber die Pointe an der Geschichte lautet: Ein nicht unbeträchtlicher finanzieller Beitrag zur Studie wurde von der Templeton Foundation bereitgestellt. John Marks Templeton war ein erfolgreicher britischer Börsenmakler, als Presbyterianer aber auch sehr gläubig. Mit seinem TempletonPreis, der weltweit höchstdotierten Auszeichnung für Einzelpersonen (1.000.000 Pfund Sterling), werden Menschen gewürdigt, die die Verbindung zwischen Wissenschaft und Religion untermauern. Als ob das wer brauchen würde. Wer glauben will, soll glauben, wozu braucht wer noch Wissenschaft, wenn er Wunder für möglich hält?
    Eigentlich sollte STEP natürlich beweisen, welch positive Kraft im Gebet steckt, herausgekommen ist das Gegenteil.
    Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Millionen Dollar sind in den vergangenen Jahren in die Erforschung von Glauben und Religion investiert worden, unter anderem um zu beweisen, dass Glaube genetisch determiniert ist.
    Gezeigt hat sich – wenig überraschend –, dass Glaube und Religion vor allem gesellschaftspolitische Phänomene sind: Je mehr Angst Menschen haben, je unsicherer ihr sozialer Status ist und je stärker sie an hierarchische Strukturen glauben und ihnen folgen, desto eher sind sie bereit, an einen Gott zu glauben. Wohlhabende, aufgeklärte und furchtlose Menschen haben Religion also gar nicht nötig. Oder, um es mit den Worten von Marie von Ebner-Eschenbach zu sagen: Wer nichts weiß, muss alles glauben.
     
    Aber was wissen wir überhaupt?
     
    Dass beten nicht hilft. Gut, aber das wird auch zukünftige Zöglingsgenerationen nicht vor dem handfesten Zugriff ihrer spirituellen Vorgesetzten schützen.
    Die Fortschritte in den Naturwissenschaften in den letzten 200 Jahren waren enorm, aber was wissen wir wirklich?
    Wenn wir einmal davon ausgehen, dass es keinen Gott gibt, wofür es sehr gute Gründe gibt, woher kommen wir dann? Wie sind wir entstanden und wann und warum? Und warum sollen wir das alles wissen wollen, und was nützt uns dieses Wissen, wenn wir nicht einmal wissen, dass man Investmentbankern nicht über den Weg trauen darf?
    Der Reihe nach.
    Setzen Sie sich jetzt bitte gut hin und halten Sie sich fest, denn was nun
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