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Wer hat Alice umgebracht?

Wer hat Alice umgebracht?

Titel: Wer hat Alice umgebracht?
Autoren: S Hogan
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Beleuchtung. Innerhalb der Zelle konnte man sie weder an- noch ausstellen. Jedenfalls gab es keinen Lichtschalter.
    Es war der trostloseste Ort, an dem ich jemals gewesen war.
    Ich warf mich auf das Bett und gab mich völlig meiner Trauer und Verzweiflung hin. Normalerweise war ich nicht so nahe am Wasser gebaut, aber in diesen elend langen Stunden wollten meine Tränen gar nicht mehr versiegen. Meine Schultern zuckten, meine Finger krampften sich in die Wolldecke. Und je länger ich heulte, desto mehr gute Gründe fielen mir dafür ein.
    Es kam mir vor, als ob die ganze Welt mich verlassen und sich gegen mich verschworen hätte. Warum sagten Fiona und Allison gegen mich aus? War in der vorigen Nacht etwas passiert, das meine Freundinnen gegen mich aufgebracht hatte? Wollten sie mir einen bösen Streich spielen, um mir eine Lektion zu erteilen? Würden sie später ihre Aussagen widerrufen, um meine Entlassung zu ermöglichen?
    Und – wenn sie nun gar nicht logen, sondern die Wahrheit sagten?
    Ich drückte mein heißes Gesicht gegen die muffige Zellenmatratze. Hatte ich wirklich Alice Wright in einem Anfall von Jähzorn erstochen? Nie hätte ich gedacht, dass ich zu einer solchen Tat fähig sein könnte. Aber nach einigen Cocktails …
    Nein, das war einfach unmöglich. Ich wusste doch, wie Alkohol auf mich wirkte. Normalerweise wurde ich durch hochprozentige Drinks einfach nur albern und später dann hundemüde. Aber aggressiv war ich noch nie geworden. Allerdings fand ich es beunruhigend, dass ich mich nicht mehr an die vergangene Nacht erinnern konnte. Hatte ich wirklich so viel getankt – oder war mir eine andere Substanz ins Getränk gemischt worden? In letzter Zeit hatte es in Glasgow immer wieder Fälle gegeben, wo ein Mädchen mit K.-o.-Tropfen gefügig gemacht worden und aus einem Club abgeschleppt worden war. Dieses Schicksal war mir zum Glück erspart geblieben. Denn wenn mich jemand vergewaltigt haben sollte, dann müssten davon ja Spuren an meinem Körper zurückgeblieben sein. Aber körperlich fehlte mir, abgesehen von dem gewaltigen Kater, nichts. Sicherheitshalber zog ich mich noch einmal aus und nahm mich selbst genau in Augenschein. Aber ich hatte keine einzige Schramme und keinen blauen Fleck, geschweige denn Abschürfungen oder Blutergüsse.
    Mir blieb nichts anderes übrig als mein Gedächtnis zu durchforsten.
    Ich schloss die Augen. Um 20 Uhr hatten Fiona und Allison mich abgeholt. Die Semesterferien hatten gerade begonnen, und deshalb wollten wir Party machen. Zunächst waren wir bei einem Poetry Slam gelandet. Dort war es sehr voll gewesen, und Fiona hatte mit einem der schönen jungen Dichter geflirtet, die ihre Werke vorgetragen hatten. Allison und ich waren so lange von zwei strohblonden norwegischen Touristen zu Cocktails eingeladen worden.
    Es war ein gutes Gefühl, dass die Erinnerung allmählich zurückkehrte. Aber lückenhaft war sie immer noch. Ich konnte mich noch nicht einmal an die Namen der Norweger erinnern. Außerdem musste man damit rechnen, dass sie nicht mehr lange in Glasgow bleiben würden. Als Entlastungszeugen kamen sie wohl weniger infrage. Ehrlich gesagt, hätte ich sie noch nicht einmal genau beschreiben können. Und eigentlich war ich mir auch nicht wirklich sicher, dass diese Typen Norweger gewesen waren. Es hätten genauso gut Schweden oder Isländer sein können.
    Hatte ich mich denn wirklich später von meinen Freundinnen getrennt?
    Ich glaubte, mich zu erinnern, dass wir noch gemeinsam in eine In-Disco wollten, wo wir stundenlang auf Einlass warten mussten. Aber sicher war ich mir nicht. Da hatte es doch diesen riesigen afrikanischen Türsteher gegeben. Wenn ich mir nur sicher gewesen wäre, dass wir dort nicht schon eine Woche früher aufgekreuzt waren. Der Laden hieß jedenfalls Smackers, aber das half nicht wirklich weiter. Und der Muskelmann würde gewiss nicht mehr sagen können, wann genau ihm drei Studentinnen in Feierlaune unter die Augen getreten waren. Oder? Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Sosehr ich mich auch bemühte – mir fielen keine weiteren Einzelheiten zu den Erlebnissen der vorigen Nacht ein. Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren. Nach einer gefühlten halben Ewigkeit wurde die Zellentür aufgeschlossen.
    Ein schlaksiger Typ mit Aktentasche kam herein. Ich hatte ihn noch nie gesehen.
    „Miss Lindsay Duncan? Ich bin Paul Egan, Ihr Verteidiger.“
    Ich nickte nur. Während der Rechtsanwalt auf dem Hocker Platz nahm und seine
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