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Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
Autoren: Yvonne Gees
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Rinnsal durch die Kehle geflossen war, wie gut es ihm getan hatte, die Flüssigkeit in sich aufzunehmen. Seine Lebensgeister waren wieder erweckt worden, doch hatte er das Gefühl gehabt, einen Teil von sich selbst zu verlieren.
    Die Schüssel zu fassen, gestaltete sich zu einem fast unüberwindbaren Problem. Seine Hände waren so nutzlos wie zwei abgestorbene Fleischklumpen. Er presste die Unterarme gegen die Metallschale, doch hielt er sie zunächst nicht fest genug. Sie entglitt ihm immer wieder, bis es ihm endlich doch gelang, sie durch noch stärkeren Druck zu halten. Das Blut war noch immer flüssig, Robert konnte die tiefrote Farbe in der Dunkelheit erkennen. Seine Augen hatten begonnen, ihren Dienst allmählich wieder aufzunehmen. Dass kein Anzeichen von Gerinnung zu erkennen war, war anomal, doch war die Wirkung des aus seinem eigenen Körper stammenden Blutes auf seine Lebenskraft ebenfalls sehr ungewöhnlich.
    Er brachte die Schale an die Lippen und während die angenehme Wärme des roten Lebenssaftes seinen Körpers durchströmte, richtete er sich unbewusst auf, gelangte auf die Knie, und irgendwann stand er wieder auf den Beinen, den Kopf tief in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen. Dann fiel die leere Schale auf den Boden, rollte auf der Seitenfläche davon, bis sie schließlich gegen den Opferstein stieß, umkippte und liegenblieb. Robert blieb eine Weile still stehen, dann öffnete er wieder die Augen.
    Der verkohlte Körper zu seinen Füßen war der Überrest eines Menschen, der ihn erbarmungslos gehasst und bekämpft hatte: Nichts mehr weiter, als verbranntes Fleisch und Asche. Doch der Priester war fort. Keine Schleifspuren auf der Erde, nur unterschiedliche, verstreute Fußabdrücke. Und undeutliche Spuren eines schweren, liegenden Körpers, der nicht mehr da war. Hatten die Schwarzen Brüder eine Leiche fortgetragen?
    Er hob den Kopf.
    Lauschte. Kein lebendes menschliches Wesen befand sich in seiner Nähe. Sie waren allein: Der uralte Wald und ein Mensch, der zugleich alles gewonnen und verloren hatte. Alle Wege standen ihm offen, nachdem er wieder einmal dem Tode entronnen war.
    DER NEUE WEG
    Das Pferd gab ein leises Schnauben von sich, erkannte seinen Herrn sofort. Mehr als ein Monat war vergangen, seit der Hengst allein zurück in den Stall gekehrt war. Robert hatte Mühe, dem Tier das Halfter anzulegen. Seine Hände waren einigermaßen sorgsam verbunden, so gut, wie er es selbst hatte bewerkstelligen können.
    Seit dem grausamen Ritual war einige Zeit verstrichen, doch die Heilung des zerschnittenen Fleisches ging nur langsam voran. Viele Tage lang hatte er sich in das Versteck zurückgezogen, das für etwa zwei Wochen, vor seiner geplanten Opferung, sein Kerker gewesen war. Dort waren in einem kleinen Nebenraum unter anderem vom Priester eigenhändig gefertigte Heilsalben, Verbände, Wasser und ein notdürftiger Vorrat an Nahrungsmitteln gelagert.
    Er hatte stundenlang nur auf der harten Erde gelegen, die Arme von sich gestreckt, die Handflächen nach oben gerichtet. Das einzige, was in dieser Zeit zählte, war das zum Überleben Notwendige: Essen, Trinken und die Versorgung der Wunden. Vielleicht hatte er auch auf das Erscheinen eines alten Bekannten gewartet. Er befand sich schließlich in einem der vielen Domizile des Priesters. Doch niemand war dort erschienen. Die ganze Zeit über war er völlig allein gewesen mit seinen Gedanken und mit seinen Schmerzen.
    Der Hengst bewegte unruhig den Kopf, als Robert die Schnallen des Halfters schließen wollte. Das Tier spürte, dass es endlich wieder an der Zeit war, einen der lang vermissten, schnellen Ausritte zu unternehmen. Natürlich erleichterte dies nicht unbedingt das ohnehin schwierige Unterfangen, das Halfter zu befestigen. Es dauerte eine ganze Weile, bis endlich alle Schnallen geschlossen waren. Und am Ende legte Robert die verbundenen Hände auf den schwarzen, starken Hals des Tieres, schloss kurz die Augen und legte eine kurze Ruhepause ein.
    Er konzentrierte sich darauf, das Muskelspiel des Pferdes zu spüren, während es den Kopf auf und ab bewegte. Dieses Tier war ihm in diesem Moment wie eine magische Verbindung zu einem alten Leben, das er nun nicht mehr führen konnte. Doch es würde zu den wenigen Dingen gehören, die er mitnahm, auf seinen neuen Weg. Die im Keller seines Hauses gelagerten Kisten hatte er schon vor seinem letzten folgenschweren Zusammentreffen mit dem Priester an einen anderen Ort gebracht, wo niemand sie
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