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Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)

Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)

Titel: Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
Autoren: Mary Higgins Clark
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Vater sie und ihre Mutter festlich zum Essen ausgeführt, und sie hatten darauf angestoßen, daß Fran nun an seiner alten Alma mater zu studieren anfangen würde. Dann war er unter dem Vorwand, er habe seine Brieftasche im Auto liegenlassen, hinaus auf den Parkplatz gegangen und hatte sich dort erschossen. In den nächsten Tagen kam das Motiv für seinen Selbstmord ans Licht. Eine Untersuchungskomission kam ziemlich schnell zu dem Ergebnis, daß er vierhunderttausend Dollar unterschlagen hatte, und zwar aus der Kasse des Vereins zur Einrichtung einer neuen Bibliothek in Greenwich, dessen Vorsitz er ehrenamtlich führte.
    Natürlich kannte Gus Brandt diese Geschichte. Er hatte Fran darauf angesprochen, als er nach Los Angeles gekommen war, um ihr die Stelle bei NAF-TV anzubieten. »Das ist lange her«, sagte er. »Sie brauchen sich also nicht mehr in Kalifornien zu verkriechen. Außerdem können Sie bei uns Karriere machen. Wer es in dieser Branche zu etwas bringen will, muß öfter den Wohnort wechseln. Unsere Sechs-Uhr-Nachrichten haben bessere Einschaltquoten als die der Lokalsender, und die Serie Wahre Verbrechen gehört zu den zehn beliebtesten im ganzen Land. Außerdem können Sie ruhig zugeben, daß Sie New York vermissen.«
    Fran hatte nur noch auf den alten Spruch gewartet, außerhalb von New York gebe es ohnehin nichts weiter als finsterste Provinz, doch so weit war Gus nicht gegangen. Wegen seines schütteren, grauen Haars und der hängenden
Schultern sah man Gus jedes einzelne seiner fünfundfünfzig Jahre an, und er machte stets ein Gesicht wie ein Mann, der in einer verschneiten Nacht den letzten Bus verpaßt hat.
    Allerdings täuschte dieser Eindruck, und das wußte Fran ganz genau. Gus verfügte über einen messerscharfen Verstand, einen Riecher für erfolgreiche Sendungen und ein Händchen fürs Geschäftliche, in seiner Branche konnten ihm nur wenige das Wasser reichen. Also hatte sie sein Angebot angenommen, ohne lange zu überlegen. Wer für Gus arbeitete, führte ein Leben auf der Überholspur.
    »Sie haben also nach Ihrem Abschluß nichts mehr von Molly gehört?« fragte er nun.
    »Nein. Während des Prozesses habe ich ihr geschrieben und ihr meine Hilfe angeboten. Doch ich erhielt als Antwort nur einen höflich-distanzierten Brief von ihrem Anwalt. Darin stand, Molly wisse meine Besorgnis zwar zu schätzen, sei aber nicht in der Lage zu korrespondieren. Das war vor mehr als fünfeinhalb Jahren.«
    »Wie war sie denn so als junges Mädchen?«
    Fran schob sich eine Strähne ihres hellbraunen Haars hinters Ohr, eine unbewußte Geste, die bedeutete, daß sie angestrengt nachdachte. Kurz sah sie die sechzehnjährige Molly vor ihrem geistigen Auge. »Molly war immer etwas Besonderes«, meinte sie nach einer Weile. »Sie haben die Fotos ja gesehen. Schon damals war sie eine Schönheit, und während wir anderen noch über unsere eigenen Füße stolperten, drehten sich nach ihr bereits die Männer um. Sie hatte unglaublich strahlende blaue Augen, dazu einen Teint, für den jedes Model einen Mord begehen würde, und glänzendes blondes Haar. Doch am meisten hat mich immer ihre Gelassenheit beeindruckt. Damals dachte ich, wenn sie dem Papst und der Königin von England auf der gleichen Party begegnet wäre, hätte sie sie seelenruhig begrüßt, und das auch noch in der richtigen Reihenfolge. Trotzdem hatte ich seltsamerweise immer den Verdacht,
daß sie in ihrem tiefsten Inneren schüchtern war. Bei all ihrer bemerkenswerten Ruhe hatte sie etwas Zögerliches an sich. Wie ein wunderschöner Vogel, der auf einem Ast sitzt, die Flügel ausbreitet und sich nicht loszufliegen traut.«
    Sie schien durchs Zimmer zu schweben, dachte Fran und erinnerte sich daran, daß sie Molly einmal in einem eleganten Abendkleid erlebt hatte. Und wegen ihrer kerzengeraden Haltung wirkte sie sogar noch größer als eins siebzig.
    »Waren Sie beide eng befreundet?« fragte Gus.
    »Nein, ich verkehrte nicht in denselben Kreisen. Molly war wohlhabend und gehörte zur Country-Club-Clique. Ich hingegen hatte ein Faible für Sport und habe mich mehr für Wettkämpfe als für Bälle interessiert. Leider hat bei mir nicht jeden Freitag abend pausenlos das Telefon geklingelt.«
    »Ein anständiges Mädchen, wie meine Mutter gesagt hätte«, spöttelte Gus.
    Ich habe mich an der Schule nie wohlgefühlt, überlegte Fran. In Greenwich gab es zwar viele Familien, die der Mittelschicht angehörten, doch Dad wollte höher hinaus. Ständig
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