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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann?
Autoren: Anna Malou
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mich nicht gerade glücklich stimmt. Jedoch befinde ich mich nach einer weiteren Viertelstunde wieder auf dem Pilgerweg, da ist wieder das Zeichen: blauer Untergrund und gelbe Strahlen in Form einer Muschel, und ich sehe auch wieder andere Pilger.
    Also mache ich nun Pause unter schattigen, hohen Büschen auf meiner Decke, verarzte meinen Zeh mit Blasenpflaster und schlafe kurz ein. Ich fühle mich sicher, da nicht weit von mir entfernt zwei andere Pilger ihre kuschelige Siesta halten und ständig neue Pilger die schattige Möglichkeit zur Pause nutzen oder nach der Pause wieder weiterlaufen. Schließlich, so gegen 15.00 Uhr, erreiche ich nach gut acht Stunden Wanderung den Ort Viana, mein nächstes Ziel.
    Kurz vorher habe ich am Wegesrand einen Hinweis in Form eines Zettels auf ein Privatzimmer für 14,00 € vorgefunden. So gehe ich, nachdem ich in der Pilgerherberge meinen Stempel für den Pilgerpass abgeholt habe, zielgerichtet der Wegbeschreibung nach. Jedoch muss ich noch mehrmals nachfragen, bis ich das Haus finde. Doch schließlich kann ich ein wundervoll sauberes Zimmer mit Bad, was wie durch ein Wunder noch frei ist, übernehmen. Ich bin völlig erledigt, erschöpft, und brauche Pause, ganz lange.
    Auf der Dachterrasse treffe ich beim Essen auf eine Dame, so um die sechzig, auch Pilgerin, die fließend deutsch spricht, ehemals aus Norddeutschland kommend, ihr Leben jedoch in Südafrika verbracht hat. Nun geht sie den Jakobsweg, um sich in Deutschland oder Spanien immer mal wieder mit ihren Geschwistern zu treffen. Die Welt ist klein, offensichtlich!
    In Viana, das mir sehr schmutzig und nicht besonders sehenswert erscheint, bewundere ich die Kirche, werde dann aber von einem heftigen Gewitter mit sintflutartigem Regen überrascht. Nach über einer Stunde, die ich in einer schmierigen Kneipe verbringe, erreiche ich mein Quartier fast trockenen Fußes. Leider sind meine gewaschenen Sachen fast alle nass geregnet, was für ein Ärger! An diesem Abend ist nichts mehr möglich, ich bin völlig erschlagen und liege schon um 20.30 Uhr im Bett.

6. Tag
    Viana – Logroño (9 km), 10. Juni

    Als ich nach elf Stunden Schlaf wach werde, ist es bereits 7.30 Uhr, und ich kann mich nicht entschließen, sofort aufzubrechen, da es regnet. Meine gewaschenen Sachen sind immer noch nass, gewitterregennass von gestern Abend, sodass ich gezwungen bin, alles in einer Plastiktüte zu verstauen und nass im Rucksack mitzunehmen. Also mache ich mich langsam fertig, esse einen Müsli-Riegel, der wieder einmal das Frühstück ersetzt, trinke Selters und packe ein, diesmal alles regenfest, und marschiere los.
    Der Weg nach Logroño ist einfach, meist eben, häufig geteert, aber leider auch stellenweise regendurchnässt und lehmverklebt, was sich an den Schuhen und Hosenbeinen sichtbar macht. Zwischendurch regnet es immer wieder, mal mehr, mal weniger, also, eine reine Freude ist es heute nicht, und ich bin dankbar, dass ich nur eine relativ kurze Strecke vor mir habe.
    Zwischendurch kann ich mich nicht satt sehen an den wild wachsenden Blumen am Wegesrand — roter Mohn, gelbe Lilien, weiße Kamille, weiße Margeriten, Disteln, lilafarbener Günsel in Hütchenform, gelber Ginster, Steingewächse in Farben von Gelb über Blau bis Rot und Lila — , zwischen Feldern mit Hafer angelegt. Es ist einfach eine Freude, diese kunterbunte Natur zu bewundern. Außerdem sind heute Hunderte von kleinen Schnecken unterwegs, die wohl alle bei Regenwetter einen Betriebsausflug machen. Hin und wieder, wenn ich Pause mache, um Luft zu schöpfen, sehe ich zurück auf den Ort Viana mit seinem Kirchturm, malerisch eingebettet in hügeliges Gelände, mit Feldern und Wiesen und kleinen Baumgruppen mit Laubbäumen. Die Berge der Pyrenäen liegen Wolken verhangen, aber immer noch erkennbar, zu meiner rechten Seite, und ich liebe diese fast unberührte Natur, auch bei diesem Wetter.
    Unter der Regenjacke ist es unglaublich warm, und ich überlege allen Ernstes, ob ich überhaupt eine benötige, da ich auf der Haut genauso nass bin wie auf der Regenjacke. Andere Pilger ziehen an mir vorbei oder laufen hinter mir, viele in Regencapes gehüllt, einige aber auch im T-Shirt, denn kalt ist es nun wirklich nicht.
    Endlich, es ist fast Mittag, erreiche ich Logroño. Der Weg vom Ortsschild bis hinein in die Stadt zieht sich endlos hin. Am Wegesrand gibt es wieder Möglichkeiten, etwas in einer Wellblechbaracke zu trinken, doch ich bleibe bei meinem Mineralwasser. Hunde
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