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Wenn aus Verlangen Schicksal wird

Wenn aus Verlangen Schicksal wird

Titel: Wenn aus Verlangen Schicksal wird
Autoren: Olivia Gates
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Fünf-Zentimeter-Absätzen war sie einen Meter achtzig groß, doch neben Sarantos wirkte sie klein und zart. Ihr war nie aufgefallen, dass er so imposant war, so … unglaublich. Und dabei sah er nicht einmal gut aus. Nein, „gut aussehend“ wäre sogar noch eine Untertreibung. Er war … einmalig. Die personifizierte Macht und Männlichkeit. Und Selene wusste, dass in dieser unverwechselbaren Verpackung ein nicht weniger eindrucksvoller Verstand steckte, was Sarantos’ betörende Wirkung auf sie noch verstärkte.
    Bei diesem Gedanken zuckte sie innerlich zusammen. Dies war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um die Schwärmerei wiederaufleben zu lassen, die sie hegte, seit sie Sarantos zum ersten Mal gesehen hatte. Obwohl sie noch ein junges Mädchen gewesen war, hatte sie schnell begriffen, dass die Sache aussichtslos war. Nicht nur, weil Sarantos der Feind der Familie war, sondern auch, weil er sich überhaupt nicht für andere Menschen interessierte. Trotzdem hatte sie keine Gelegenheit ausgelassen, um ihrer Faszination neue Nahrung zu geben und ihm so oft wie möglich nahe zu kommen.
    Doch nie zuvor war sie ihm so nah gewesen wie jetzt. Noch nie hatte er sie so intensiv angesehen. Die Farbe seiner Augen erinnerte sie an geschmolzenen Stahl, an unentrinnbare Strudel, die …
    In Gedanken verpasste sie sich eine Ohrfeige.
    Hör auf, dich wie ein Schulmädchen zu benehmen, das gerade seinem Popidol begegnet ist! Los, sag was!
    Sie räusperte sich. „Mr Sarantos.“ Dann streckte sie die Hand aus. „Danke, dass Sie gekommen sind.“
    Er antwortete nicht, ergriff auch nicht ihre Hand. Stattdessen blickte er einfach geistesabwesend zu ihr herunter, als nähme er sie gar nicht wahr. Verlegen ließ sie ihre Hand wieder sinken und blickte zu Boden.
    „Es tut mir leid, dass er tot ist.“
    Seine Stimme, tief, dunkel und abgründig, ließ Selenes Körper vibrieren. Doch es war die Bedeutung seiner Worte, die sie wieder seinen undurchdringlichen Blick suchen ließ.
    Kein „Mein Beileid“, das Mantra, das all die anderen Gäste unablässig wiederholt hatten. Dieser Mann war nicht gekommen, um Selene oder einem anderen Familienmitglied gegenüber Mitgefühl zu bezeigen – oder zu heucheln.
    Aristedes Sarantos war um seiner selbst willen hier. Er bedauerte es wirklich, dass ihr Vater gestorben war. Und plötzlich begriff sie auch, warum.
    „Sie werden die Kämpfe mit ihm vermissen, nicht wahr?“
    Sein Blick bohrte sich in ihren, und trotzdem hatte sie immer noch nicht das Gefühl, dass ihre Anwesenheit irgendeine Bedeutung für ihn hatte. „Mein Leben war durch ihn … interessanter. Das werde ich vermissen.“
    Wieder kümmerte ihn nur, was der Tod ihres Vaters für ihn selbst bedeutete. Seine Ehrlichkeit, seine Weigerung, sich den Anstandsregeln zu beugen und sich den Erwartungen entsprechend zu verhalten, verschlugen ihr den Atem. Und schenkten ihr die Freiheit, zu ihren eigenen egoistischen Gefühlen zu stehen.
    Eines Tages würde sie den Tod ihres Vaters, der nur sechsundsechzig geworden war, wahrscheinlich als das verfrühte Ende eines erfüllten, glücklichen Lebens sehen können. Aber im Moment konnte sie nur an ihren eigenen Verlust denken. Sie vermisste ihren Vater schmerzlich. Seit seinem Tod hatte sich eine gähnende Leere in ihr ausgebreitet.
    „Mein Leben war durch ihn … so vieles, was es ohne ihn nicht mehr sein wird“, flüsterte sie. „Und ich werde all das vermissen.“
    Erneut zeigte Sarantos nicht das geringste Mitgefühl.
    Nach kurzem Schweigen sagte er: „Er war nicht krank.“
    Keine Frage, sondern eine Feststellung. Selene nickte, schüttelte dann den Kopf und spürte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte. Eigentlich war sie nicht sicher. Krank gewirkt hatte ihr Vater nicht. Aber er hätte auch nie irgendeine Schwäche zugegeben, und eine Krankheit hätte er um jeden Preis verborgen gehalten.
    „Und er ist gestern um kurz nach elf gestorben.“
    Tatsächlich war ihr Vater um diese Zeit tot in seinem Büro aufgefunden worden. Selene hatte keine Ahnung, woher Sarantos das wusste.
    Er fuhr fort: „Um neun, nur ein paar Stunden vorher, hatte meine Rechtsabteilung wegen unserer Zusammenarbeit für die britische Marine mit Ihren Anwälten Kontakt aufgenommen.“
    Darüber wusste sie Bescheid. Immerhin war sie diejenige gewesen, die mit Sarantos’ Rechtsabteilung gesprochen hatte. Später hatte sie ihrem Vater Sarantos’ Angebot telefonisch übermittelt. Ihrer Meinung nach waren die
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