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Weller

Weller

Titel: Weller
Autoren: Birgit
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bereitete ich die Gruppenstunde vor und verzehrte dabei die belegten Brote und die klein geschnittene Paprika, die ich mir am Morgen vorbereitet hatte. Danach wäre ich um ein Haar eingenickt.
    Um kurz nach halb acht war ich allein in der Geschäftsstelle. Die vier Kandidaten des Anti-Gewalttrainings hatten sich gerade verabschiedet und ich schloss die Fenster des Gruppenraums. Draußen war es schon beinahe dunkel, der Himmel verhangen. Es waren jene Tage im Jahr, an denen man den Übergang von einer Jahreszeit zur nächsten am deutlichsten spürt. Vor einer Woche, so kam es mir vor, war es um diese Zeit draußen noch hell gewesen. Jetzt erkannte ich von hier oben, aus dem dritten Stockwerk, die vorm Haus geparkten Autos nur noch schemenhaft. Der Hafen lag als dunkle, weitgehend unbeleuchtete Fläche im Hintergrund. Scheinwerfer flimmerten über die am Haus vorbeiführende Ulmenstraße.
    Plötzlich begann der Vibrationsalarm meines Handys auf der Tischplatte seinen Hornissentanz. Ich sah auf das Display. Ellen.
    »Weller.«
    »Du, ich glaube, draußen ist jemand.«
    Ich schnappte nach Luft. »Wo bist du?«
    »Ich bin im Bad und wollte gerade duschen. Da habe ich draußen etwas gesehen. Eine Gestalt. Neben der Laube.«
    »Bist du sicher?«
    »Natürlich.« Ihre Stimme hatte einen fremden, quietschenden Klang.
    Ich überschlug die Möglichkeiten, sich in unserem Haus in Sicherheit zu bringen. »Ist die Haustür abgeschlossen?« Die im ehemaligen Scheunentor integrierte Eingangstür wurde von innen mit einem schweren Riegel gesichert und konnte zusätzlich mit einem Schlüssel abgeschlossen werden.
    »Nein, nur der Riegel liegt vor. Und die Terrassentür ist auch noch offen.« Ihre Stimme kippte ins Schrille. »Was soll ich tun, Weller?«
    »Bleib wo du bist, schließe die Badezimmertür ab und warte auf mich. Ich bin gleich bei dir.«
    Schon griff ich nach meinen Schlüsseln, rannte die Treppen ins Erdgeschoss hinab und sprang ins Auto. Mein Herz hämmerte. Konnte es sein, dass Ellen sich etwas einbildete? Nein, ihre Nerven waren vielleicht durch die Vorfälle der vergangenen Wochen und Monate angegriffen, doch insgesamt war sie viel zu besonnen, um ohne wahren Grund in Panik zu geraten. Und in Panik war sie hörbar gewesen.
    Ich missachtete sämtliche Verkehrsregeln, hatte Glück, dass die Bahnschranken an der Poeler Straße nicht geschlossen waren, und schaffte die Strecke nach Fischkaten in sagenhaften zwölf Minuten. Inzwischen war es völlig dunkel und es hatte zu nieseln begonnen; der Asphalt schimmerte im Licht der Straßenlaternen. Auf den letzten Metern löschte ich die Scheinwerfer und ließ den Wagen mit abgeschaltetem Motor ausrollen.
    Eine Sekunde lang kam ich mir albern vor, wie irgendein Detektiv in einer Vorabendserie. Im nächsten Moment hatte mich schon wieder die Angst um Ellen fest im Griff. Unsere ruhige Wohnstraße lag unbelebt vor mir. Niemand ging mit dem Hund spazieren, alle saßen schon vor ihren flimmernden Fernsehgeräten.
    Kurz dachte ich daran, zwei Häuser weiter bei Frau März zu klingeln, verwarf diesen Einfall aber sofort wieder. Dann doch lieber selbst die Polizei alarmieren. Doch was, wenn überhaupt nichts passiert war? Hatte ich mich nicht schon ausreichend lächerlich gemacht?
    Unser Haus lag im Dunkeln, nur die beleuchtete Hausnummer an der Fachwerkfassade blinkte trügerisch anheimelnd ihre 29 durch die Zweige der Hecke zu mir herüber. Anscheinend hatte Ellen auch das Licht im Badezimmer gelöscht. Ich öffnete sacht die Autotür, drückte sie ohne Geräusch hinter mir zu. Auf der in einiger Entfernung verlaufenden Straße nach Poel fuhren ab und an Fahrzeuge mit vor Nässe zischenden Reifen, ansonsten war alles still. Unsere Gartenpforte quietschte leise. Drei Schritte, dann stand ich vor unserer Tür.
    Ich hielt ein Ohr an das Holz und lauschte. Nichts.
    Eine Waffe! Um nicht völlig wehrlos zu sein. Ich dachte an die Spaltaxt, die ich zum Holzmachen nutzte, und den Spatenstiel ohne Blatt, der schon lange ungenutzt einstaubte. Aber die Laube war ja abgeschlossen. In der Dunkelheit würde es viel zu lange dauern, das hakelige Schloss zu öffnen.
    Da hörte ich ein Poltern aus dem hinteren Teil des Hauses und wirbelte herum.
    Die Terrassentür! Ich sprintete auf die linke Hausseite, sprang über den Blumenkübel, stand vor der Glastür und zog vergeblich am Griff.
    Hatte Ellen etwa doch das Badezimmer verlassen und die Tür geschlossen? Ich spähte in den unbeleuchteten Raum
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