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Weller

Weller

Titel: Weller
Autoren: Birgit
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Sicherlich würde ich ihr nachher erklären müssen, weshalb ich im Fall des Brieftaschendiebstahls schon wieder ein solch gesteigertes Interesse an den Tag legte.
    Jara klopfte, mit der einer Hand den Kuchenteller balancierend, gegen Marcel Matzkes Tür, die heute nicht durch ein Vorhängeschloss gesichert war. In den Hecken zwitscherten die Vögel, im Nachbarsgarten zupften die Alpakas Grashalme aus dem Boden und hoch über uns zog ein Flugzeug einen Kondensstreifen hinter sich her. Im Inneren blieb alles still. Jara klopfte noch einmal. Da wurde plötzlich die Tür aufgerissen und der Hausmeister starrte uns wortlos und misstrauisch an. Seine Miene erhellte sich ein wenig, als Jara ihm den Teller in die Hand drückte. Während sie noch erklärte, was ich von ihm wollte, sah er von ihr, die ganze zwei Köpfe kleiner war als ich, zu mir hinauf und sein Blick verdüsterte sich.
    »Du bist doch Nachtmensch«, setzte Jara gerade nach. »Hast du Barbara in ihrer ersten Nacht hier im Schloss gesehen? Das war am 30. April.«
    Matzke schnappte nach Luft, seine Blicke huschten hin und her, seine Finger schlossen sich so kräftig um den Rand des Tellers, als wolle er ihn zerbrechen. Im Bund seiner Jogginghose klemmte ein weißrotes, fleckiges Geschirrhandtuch.
    »Nein, ich hab da niemanden gesehen«, nuschelte er. »Keine Ahnung.« In der Luft lag Terpentingeruch und ein Hauch von gebratener Leber mit Zwiebeln.
    »Sonst noch was?« Schon trat er zurück und schloss die Tür bis auf einen Spalt. Seine Hände zitterten. Er konnte uns nicht in die Augen sehen. Wohl um seine Schroffheit wieder gutzu- machen, setzte er, bevor er die Tür ins Schloss drückte, hinzu: »Danke für den Kuchen.«
    ***
    »Herr Weller, kommen Sie herein.« Kriminalhauptkommissar Luckow drückte mir die Hand, als wären wir gute Kollegen oder alte Bekannte. Wir fuhren mit dem Fahrstuhl hinauf in sein Büro und es war wie bei einem Déjà-vu-Erlebnis. Gleich würde ich mich wieder lächerlich machen. Unsinn, sagte ich mir, es ging um einen Austausch von Informationen. Mehr nicht. Was Luckow damit anfing, konnte ich nicht beeinflussen. Doch hätte ich danach vielleicht endlich ein wenig Seelenruhe.
    Heute führte Luckow mich in einen winzigen Raum, in dem wir miteinander allein sein würden. Schnell überprüfte ich, dass es hier keinen Einwegspiegel gab. Ich hatte mit einem Mal die Fantasie, er könne unser Gespräch filmen lassen, um sich hinterher, zusammen mit seinen Kollegen, über mich lustig machen zu können. Der blöde Bewährungshelfer, der sich für Sherlock Holmes hält, oder so ähnlich.
    »Nun, was haben Sie für eine Information für mich?« Wir saßen uns an einem nüchternen, beigefarbenen Bürotisch gegenüber. Es gab nicht einmal ein Telefon. An der Wand neben der Tür hing ein Kalender der Gewerkschaft der Polizei – vom Vorjahr.
    »Auch auf die Gefahr hin, dass Sie mich für überspannt halten, für allzu stark an diesem Fall interessiert, möchte ich Ihnen meine Gedanken mitteilen.« Mach’s kurz, rief ich mir im Stillen selbst zu, gib hier nicht den Märchenonkel. Schnell umriss ich meine Beobachtungen und Schlussfolgerungen in Bezug auf Connor/Barbara Stedler, berichtete über den Hundemord, den ich trotz der tödlichen Verletzung des Tieres nicht anders als so bezeichnen konnte, an die daraus sprechende Brutalität und Skrupellosigkeit, über ihre menschenverachtende Grundhaltung und ihre voyeuristischen Fotografien, formulierte vorsichtig, doch bestimmt, einen Verdacht gegen sie.
    »Sie ist wieder in die USA zurückgekehrt, war am Tag des Überfalls auf die junge Frau am   Wonnemar   wohl nicht mehr in Deutschland. Doch im Fall des Mordes an der Studentin hatte sie Gelegenheit und, aufgrund ihres eigenartigen künstlerischen Interesses, möglicherweise auch in gewisser Weise eine Art Motiv.« Ich verstummte und sah, wie Luckow einen Kugelschreiber so in den Fingern drehte, wie es manche Schlagzeuger mit ihren Sticks tun. Dann nahm er den Notizblock, der vor ihm lag, klappte ihn auf und begann, sich die Daten zu notieren, die ich ihm nennen konnte. Name, Wohnort, Telefonnummer, Dauer ihres Aufenthalts im Schloss Plüschow. Mehr wusste ich nicht über die Amerikanerin, fiel mir auf. Nur, dass sie zuvor einige Zeit in Europa herumgereist war. Hatte sie währenddessen vielleicht weitere Taten begangen? Ich zögerte, diese Vermutung auszusprechen.
    Luckow wirkte nicht gerade unwillig, jedoch auch nicht begeistert über meine
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