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Wellenbrecher

Titel: Wellenbrecher
Autoren: Minette Walters
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auszukennen.«
    »Richtig.«
    »Und wie kommt das, wenn Sie doch in London leben?«
    »Ich bin oft hier. London kann im Sommer die Hölle sein.«
    Ingram sah den steilen Hang hinauf. »Das hier ist der West Hill«, bemerkte er. »Der Emmetts Hill ist der nächste Berg.«
    Harding antwortete mit einem liebenswürdigen Achselzucken. »Okay, so gut kenne ich die Gegend offensichtlich doch nicht, aber ich laufe normalerweise mit dem Boot hier ein«, erklärte er, »und auf den Seekarten ist kein West Hill eingezeichnet. Dieser ganze Höhenzug wird als Emmetts Hill bezeichnet. Die beiden Jungs und ich sind ungefähr dort zusammengestoßen.« Er wies auf eine Stelle an dem grünen Hang über ihnen.
    Aus dem Augenwinkel nahm Ingram Paul Spenders Stirnrunzeln des Widerspruchs wahr, aber er ging nicht darauf ein.
    »Wo liegt Ihr Boot jetzt, Mr. Harding?«
    »In Poole. Ich bin gestern abend spät eingelaufen, aber bei der Flaute heute hab ich gedacht, ein bißchen körperliche Bewegung könnte mir nicht schaden.« Er sah Nick Ingram mit einem jungenhaften Lächeln an.
    »Wie heißt Ihr Boot, Mr. Harding?«
    » Crazy Daze .«
    »Und wo liegt es normalerweise?«
    »In Lymington.«
    »Sind Sie gestern von Lymington gekommen?«
    »Ja.«
    »Allein?«
    Ein kurzes Zögern. »Ja.«
    Ingram sah ihn einen Moment wortlos an. »Segeln Sie heute abend zurück?«
    »Das habe ich vor, aber wenn der Wind nicht auffrischt, muß ich wahrscheinlich mit Maschinenkraft fahren.«
    Der Constable nickte, augenscheinlich zufrieden. »Besten Dank, Mr. Harding. Dann will ich Sie jetzt nicht länger aufhalten. Ich bring die beiden Jungen nach Hause und frage gleich wegen des Fernglases nach.«
    Harding merkte, wie sich Paul und Danny schutzsuchend hinter ihm verkrochen. »Sie werden aber doch auch erwähnen, wie vorbildlich die beiden sich verhalten haben?« drängte er. »Ich meine, wenn sie nicht gewesen wären, hätte die junge Frau leicht mit der nächsten Ebbe hinausgetrieben werden können, und Sie hätten nie erfahren, daß sie am Strand gelegen hat. Die beiden verdienen einen Orden, keinen Ärger mit ihrem Vater.«
    »Sie sind ja sehr gut informiert, Mr. Harding.«
    »Oh, ich kenne diese Küste, glauben Sie mir. Da draußen herrscht eine stetige Süd-Süd-Ost-Strömung in Richtung St.-Alban’s-Kap, und wenn sie in diesen Sog geraten wäre, wäre sie wahrscheinlich nie wieder aufgetaucht. Die Unterströmung dort ist äußerst gefährlich. Sie wäre auf dem Meeresboden herumgeschleudert worden, bis nichts mehr von ihr übriggeblieben wäre.«
    Ingram lächelte. »Ich meinte eigentlich, daß Sie über die Frau gut informiert sind, Mr. Harding. Man könnte beinahe glauben, Sie hätten sie mit eigenen Augen gesehen.«

3
     
     
    »Warum haben Sie ihm so hart zugesetzt?« fragte Maggie kritisch, als Nick Ingram die Jungen in seinen Range Rover verfrachtet hatte und neben dem Wagen stehenblieb, um Harding nachzuschauen, der den Hügel hinaufging. Ingram war so groß und so kompakt gebaut, daß er sie sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn in den Schatten stellte, und er würde sie weniger reizen, dachte sie oft, wenn er sich das nur ab und zu einmal bewußt machen würde. Sie fühlte sich in seiner Gegenwart nur wohl, wenn sie von einem Pferderücken auf ihn hinuntersah. Als er ihr keine Antwort gab, blickte sie auf die beiden Jungen auf dem Rücksitz. »Und mit den Kindern sind Sie auch ziemlich grob umgesprungen. Die werden es sich in Zukunft bestimmt zweimal überlegen, ehe sie der Polizei helfen.«
    Harding verschwand um eine Biegung, und Ingram wandte sich ihr mit einem trägen Lächeln zu. »Inwiefern habe ich ihm hart zugesetzt, Miss Jenner?«
    »Na, hören Sie mal! Sie haben ihn praktisch der Lüge bezichtigt!«
    »Er hat ja auch gelogen.«
    »Ach, wobei denn?«
    »Da bin ich mir noch nicht sicher. Aber ich werde es wissen, wenn ich ein paar Nachforschungen angestellt habe.«
    »Handelt es sich hier vielleicht um einen Konkurrenzkampf unter Männern?« erkundigte sie sich mit einer seidenglatten Liebenswürdigkeit, hinter der sich lange aufgestauter Groll verbarg. Er war seit fünf Jahren der für ihre Gemeinde zuständige Polizeibeamte, und sie hatte Grund, ihm zu grollen. In Zeiten tiefer Depression gab sie ihm die Schuld an allem. Zu anderen Zeiten war sie ehrlich genug, sich einzugestehen, daß er nur seine Pflicht getan hatte.
    »Wahrscheinlich.« Er konnte den Stallgeruch an ihren Kleidern riechen, eine muffige Mischung aus
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