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Weites wildes Land

Titel: Weites wildes Land
Autoren: Shaw Patricia
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herüberreichte. »Bitte sehr. Nehmen Sie ein Stück. Eigentlich müßte er ja länger mariniert werden, aber…« Sibell blickte starr in den Tiegel. »Rohen Fisch bekomme ich nicht herunter.« »Wie Sie wollen.« Er nahm ein Stück tropfenden Fisch in die Hand und steckte es sich in den Mund. »Das ist ja ekelhaft!« Sie wandte sich ab. Nach einer Weile stellte er den Tiegel vor sie hin. »Hier ist Ihre Hälfte, und Sie essen ihn besser auf, bevor ihn diese Ameisen finden. Da marschiert nämlich gerade ein ganzes Heer dieser dicken, fetten Biester auf uns zu.« »Das ist mir gleich.« »Nun, Sie müssen's ja wissen. Ich sehe mich mal ein bißchen um, und wenn der Fisch bei meiner Rückkehr immer noch da ist, esse ich ihn selbst.« Sie hatte Hunger, und deshalb brach sie ein paar Bröckchen von dem Fisch ab und kostete ihn. Er war warm und schmeckte scheußlich, doch sie wußte, daß sie ihn essen mußte. Und so verspeiste sie ihn Bissen für Bissen, die so klein waren, daß sie nichts anderes schmeckte als den Wein. Diesmal brachte er einen Fetzen Segeltuch mit, den er in breite Streifen riß. »Wickeln Sie sich das um den Kopf. Dann haben Sie Schatten«, erklärte er. »Sie dürfen keinen Sonnenstich bekommen. Und übrigens, ich heiße Logan. Logan Conal. Und wie heißen Sie?« »Miss Delahunty«, antwortete sie gespreizt. »Sehr gut, Miss Delahunty. Nehmen Sie den Tiegel und spülen Sie ihn da unten ab, während ich unsere Schätze zusammenpacke. Wir haben mehr Wein als Wasser, also könnte es interessant werden… troll dich, Mädchen.« Barfuß lief sie über den heißen Sand, wobei sie den breiten Strand nach Lebenszeichen absuchte – vergebens. Sie spülte den Tiegel und lief zurück. Sie haßte ihn für seine groben Manieren. Er brachte nicht das geringste Verständnis für ihre schreckliche Lage auf. Er schob den Tiegel in einen selbstgemachten Sack, den er an den Ecken zusammenknotete. »Dann wollen wir mal aufbrechen«, meinte er. »Ich will aber nicht mit Ihnen gehen«, murmelte sie verstockt. »Wir sollten den anderen Seeleuten folgen.« Er starrte sie an. »Ich bin kein Seemann.« »Was sind Sie dann?« »Das weiß ich noch nicht.« Sie wußte nicht, was sie von ihm halten sollte. Er war ein stämmig gebauter Mann, unter dessen aufgerollten Ärmeln die Muskeln eines Landarbeiters hervorlugten. Über dem üppigen Bart funkelten ein Paar leuchtendgrüne Augen, in denen mehr Spott zu lesen war als Mitgefühl. Mit Sicherheit hatte er nicht zu den Passagieren der ersten Klasse gehört, also wußte nur Gott allein, mit was für einem Menschen sie hier gestrandet war, mit dem sie nun zusammenleben mußte. Wenn nur endlich jemand käme. Irgendjemand! »Waren Sie schon einmal an dieser Küste?« fragte sie. »Nein.« »Wieso geben Sie dann die Befehle? Die Seeleute werden schon gewußt haben, wohin sie gehen. Sie hätten dafür sorgen müssen, daß sie auf mich warten.« »Nun hören Sie mal zu, Miss! Sie können dem Himmel dafür danken, daß sie ohne uns aufgebrochen sind. An der Gesellschaft dieser Männer hätten Sie nämlich keine große Freude gehabt.« »Was wollen Sie damit sagen?« »Das können Sie sich selbst ausrechnen«, antwortete er. »Und nun hoch mit Ihnen. Wir laufen am Wasser entlang, dann können wir wenigstens unsere Füße kühlen.« Sibell stolperte hinter ihm her. Sein Benehmen stieß sie ab, aber sie wagte nicht, noch länger mit ihm zu streiten. Und so lief, taumelte und kroch sie den breiten, leeren Strand entlang, immer hinter seiner entschlossenen Gestalt her. Er schritt voran, ohne innezuhalten, und die flirrende Hitze ließ seine seltsam verzerrten Umrisse verschwimmen, denn auch er hatte sich diesen lächerlichen Sonnenschutz aus Segeltuch um den Kopf geschlungen. Eigentlich hätte sie ihre Kopfbedeckung am liebsten fortgeworfen, doch schon jetzt brannte ihre Gesichtshaut unter der gleißenden Sonne. Ihr traten die Tränen in die Augen. Ihre Mutter hatte sich immer so viele Sorgen um ihren Teint gemacht. Was würde sie nur sagen, wenn sie ihre Tochter jetzt sähe, mit einer Haut, die sich allmählich krebsrot verfärbte? Und ihr Vater, dachte Sibell, hätte sicher einiges zu dem Benehmen ihres Begleiters zu sagen gehabt. Bestimmt waren James Delahunty und Frau inzwischen schon in Perth. Sie waren schließlich nicht so dumm wie sie, in ein Rettungsboot mit einem Haufen Verrückter zu steigen! Sie mußte ihm erklären, daß sie keine andere Wahl gehabt hatte, und das würde er
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