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Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi

Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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erschossen. Vielleicht hat dieses Gespräch schon vorher stattgefunden? Man wusste, dass er joggen ging. Auch Aichinger wusste davon. Wer weiß, wann ihn die Kaisers versucht haben auf ihre Seite zu ziehen. Und könnte es nicht auch sein, dass er die Fehde zwischen Berthold und den Kaisers genützt hat, um den ewigen Konkurrenten Hans ums Eck zu bringen? Ich schüttle den Kopf. Zu viel Phantasie, Mira. Oder zu wenig. In meiner Reportage halte ich mich mehr an die Fakten. Es gelingt mir tatsächlich, Birgit Zauner noch einmal zu erreichen, ich lese ihr den Text vor, sie gibt ihr Einverständnis zur Veröffentlichung.
    Sowie ich sicher bin, dass die Story schon morgen bei uns im „Magazin“ stehen wird, rufe ich auch Zuckerbrot an. Es scheint ihm nicht ganz recht zu sein, dass ich es war, die diese frühere Freundin von Hans Berthold gefunden hat. „Zufall“, sage ich großzügig. Er will sie sofort anrufen. Ob es mit der Verbindung ein drittes Mal klappt?
    Ich suche Vesna, finde weder sie noch Eva. Frankenfeld dürfte zurück in den Keller gegangen sein. Vielleicht sind die beiden bei ihm. Ich will schnell sein, nehme für die paar hundert Meter das Auto. Jirji und Josef säubern vor der Kellerhalle die Lesekisten, sie sind so in ihre Arbeit vertieft, dass sie mich gar nicht bemerken. Ich gehe durch das geöffnete Tor der oberen Etage, betäubender Geruch nach süßen Trauben, Gärung. Aber die Zeit der Gärgasunfälle ist vorbei, heute ist jeder Raum automatisch belüftet, die Gärungskurven computergesteuert.
    Frankenfeld steht sichtlich nervös neben der hydraulischen Presse. Ich könnte die Chance nützen und ihn nach Brigit Zauner fragen. Er kommt mir zuvor: „Ausgerechnet jetzt sind Kunden gekommen, Frau Berthold zeigt ihnen den Schaukeller, ich müsste Jirji und Josef vom Putzen abziehen oder selbst den bestellten Wein fertig machen. Übrigens: Ich erzähle Ihnen, was ich weiß. Ich habe es mir überlegt, Sie haben Recht.“
    Mir bleibt der Mund offen. „Woher der Sinneswandel?“
    „Mir ist manches klar geworden. Könnten Sie vielleicht die hydraulische Presse putzen? Ich weiß nicht mehr, wo ich zuerst hin soll. Vielleicht können wir noch heute Abend reden. Ja, es ist in jedem Fall besser so.“
    Ich nicke. „Wie geht das mit dem Putzen?“
    „Sie stellen sich einfach in die Presse und sprühen sie mit dem Schlauch sorgfältig ab, sie muss ganz sauber sein. Ich bin bald wieder zurück.“
    „Und wir reden?“
    „Ja.“
    „Wo?“
    „Keine Ahnung, werden wir sehen.“
    „Okay.“
    „Nehmen Sie die Gummistiefel, die da stehen. Sie könnten etwas nass werden.“
    „Das halte ich aus.“
    Ich höre, wie Frankenfeld davoneilt, drehe den Wasserhahn bis zum Anschlag auf. Die Öffnung der riesigen Presse ist nach unten gekehrt, ich brauche bloß in ihren Bauch zu klettern, stehe in der Trommel. Die Rundung verstärkt das Geräusch des Wassers, als gäbe es einen Wolkenbruch, ich versuche im Halbdunkel auszumachen, wo sich noch Reste von Weintrauben angelagert haben, feuchter Nebel mit Traubengeschmack, es gibt Schlimmeres. Frankenfeld will mit mir reden, sieh an. Ich muss Zeit finden, mein Aufnahmegerät zu holen. Für alle Fälle. Vielleicht hat er mein Gespräch mit Birgit Zauner belauscht? Aber was würde das ändern?
    Ich drehe mich vorsichtig um, mache mich gerade daran, die andere Bauchhälfte der Presse zu säubern, als ich plötzlich einen Ruck spüre. Ich versuche mich festzuhalten, rolle auf die Seite, jemand hat die Presse in Bewegung gesetzt. Die beiden offenen Flügel der Maschine werden geschlossen, ich rolle in dem Zylinder herum, versuche zu schreien. Man hat dich in eine Falle gelockt, Mira. Noch bewegt sich die Presse nicht schnell, immer wieder kann ich mich aufrappeln, laufe gegen die Drehrichtung wie der Hamster in seinem Rad. Die Löcher, durch die der Traubensaft austritt, sind einmal oben, einmal unten, winzige Lichtpunkte, hier drinnen aber, in diesem metallenen Bauch, ist es finster. Finster und nass. Glitschiges Plastik – die Plane, die ich abgespritzt habe –, ich rutsche, ich schreie wieder. Niemand hört mich.
    Jetzt sind die Löcher wieder unter mir, ich knie, versuche zu ertasten, ob sich die Presse irgendwie von innen öffnen lässt, die Flügel müssen sich aufdrücken lassen, wieder werde ich ausgehoben, taumle, eine Umdrehung, dann versuche ich es wieder.
    Und auf einmal steht die Presse still. Ich lausche. Hat mich doch jemand gehört? Ich rufe. Keine Antwort.
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