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Weihnachtsmaerchen Fuer Kinder

Titel: Weihnachtsmaerchen Fuer Kinder
Autoren: Luise Buechner
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weitem gar zu gut, aber nahe bei ihr ist es so brennend heiß, daß gewiß mein ganzes Gesicht schwarz davon würde. Was soll ich aber mit einem schwarzen Gesicht? Da würden sich die Kinder auch vor mir fürchten wie vor dem Nikolaus, und würden mich nur noch mit Zittern und Zagen lieben, wenn ich ihnen auch die schönsten Gaben brächte. Das darf nicht sein, und außerdem ist der Weg so weit, daß ich erst morgen früh wiederkäme!‹ Das Christkind sprach ganz verständig, und außerdem ist es ja auch ein Mägdlein, dem man es nicht übelnehmen kann, wenn es lieber ein schönes, helles Gesicht als ein schwarzes haben mag.
    Auf einmal fiel ihm etwas Schönes ein. Es schüttelte die blonden Locken zurück, die ihm beim Nachdenken über die Stirne gefallen waren, lachte fröhlich auf und schellte laut mit seinem silbernen Schellchen, daß es weithin durch den Wald erklang und die Kinder im Tale es hörten und glaubten, jetzt sei das Christkind schon da. Sie waren aber freilich angeführt.
    Im Wald jedoch ward es auf einmal lebendig; es raschelte und flatterte und zwitscherte wie von tausend Vöglein – und wirklich, da kamen sie alle herbei, die im Walde wohnten, groß und klein. Sie kannten Christkindchens Glöcklein gar wohl und wußten, daß es ihnen jedes Jahr auch beschere. Die Masse von Krümchen, die sich das Jahr über in dem Sack des Nikolaus aufhäuften, wurden den Vöglein am Weihnachtsabend hingestreut und schmeckten ihnen gar zu gut. Sie glaubten alle, sie seien deshalb herbeigerufen, irrten sich aber ebenso gewaltig wie die Kinder im Tale. Der Boden war zwar reingefegt, aber es lag nichts darauf als die Asche, die Nikolaus beim Blasen aufgewirbelt. Die Vöglein waren sehr erstaunt und fingen gleich an, untereinander darüber zu schwatzen, und eines fragte das andere, warum ihre Krumen nicht da seien. Sie dachten, wie es oft auch die Menschen tun, weil sie das einmal bekommen hätten, sei es nun ihr Recht, und es müsse immer so sein.
    Wie sie nun im lautesten Schwatzen waren, schellte das Christkind noch einmal und rief dann, so laut es konnte: ›Stille!‹ Die Vöglein schwiegen, und das Christkind fuhr fort: ›Ihr lieben Vöglein, ich bin in großer Verlegenheit und weiß mir keinen Rat; wer von euch will mir einen Gefallen tun?‹
    Da rief es in allen Tonarten, hoch und niedrig, dumpf und helle: ›Ich! – Ich! – Ich!‹
    ›Ach, wie gut seid ihr,‹ sagte das Christkindchen, ›ich wußte wohl, daß ihr mir helfen würdet, jetzt hört nur: Seht, der böse Nikolaus, der war nachlässig und hat das Feuer ausgehen und den Zunder naß werden lassen. Jetzt habe ich kein Licht, womit ich den vielen Kindlein, die auf mich warten, die Christbäume anzünden kann. Es muß neues Licht von der Sonne heruntergeholt werden; wer von euch will für mich hinauffliegen und mir von der lieben, guten Sonne einen Strahl herunterbringen?‹
    So lebhaft die Vögel vorhin gewesen, so mäuschenstill wurden sie jetzt; sie hatten nicht gedacht, daß das Christkind ein so großes Wagstück von ihnen verlangen würde, und überdies ist versprechen immer leichter als halten. Da sie alle ›Ich!‹ gerufen, so sah einer den andern an, und jeder dachte, sein Nachbar würde das ›Ich!‹ wiederholen. Als keiner etwas sagte, fragte das Christkind ganz traurig: ›Nun, will mir keiner von euch den Gefallen tun?‹
    Da räusperte sich der Spatz und sagte: ›Ja, siehst du, liebes Christkindchen, ich tue dir alles gern zu Gefallen, aber das ist zuviel verlangt; wegen meiner flöge ich schon da hinauf, aber ich bin Familienvater und darf mich meiner Frau und meiner Kinder wegen der Gefahr nicht aussetzen, zu nahe an die Sonne zu kommen!‹ Als er geendet, warf er sich in die Brust, sah im Kreis herum, und die Vögel, die auch Familie hatten, nickten ihm Beifall zu. Dann hörte man ein schmelzendes Girren, und die liebe Sängerin, die Nachtigall, begann zu zwitschern: ›Es schmerzt mich in tiefster Seele, teures Christkind, daß ich dir die Bitte abschlagen muß, aber – du wirst dies ja selbst einsehen – wie kann ich meine himmlische Stimme an eine so gefährliche Reise wagen? Bei der Sonne ist es furchtbar heiß, hier unten kalt, ich bekäme den Schnupfen, würde heiser – mein Gott, wer sollte denn da im nächsten Frühjahr Busch und Wald und alle liebenden Herzen mit seinem Gesang entzücken?‹
    Was konnte Christkind dazu sagen? Es nickte, ohne ein Wort zu sprechen, und sah sich dann fragend und trauernd im ganzen
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