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Weiberabend: Roman (German Edition)

Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Weiberabend: Roman (German Edition)
Autoren: Joanne Fedler
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anbietet. Wir lehnen beide ab.
    »Ach, ich weiß nicht«, sage ich. »Ich hatte immer den Eindruck, dass Einstein und Goethe ganz glückliche Menschen waren.«
    »Ja, aber hatten sie Freunde?« Tam sieht uns mit großen Augen an, zieht ihren Ehering ab und massiert die Creme in ihre gepflegten Hände – kurze Nägel, kein weiterer Schmuck.
    »Genien brauchen keine Freunde. Sie sind genug mit dem beschäftigt, was in ihrem Kopf vorgeht«, sagte Helen und holt Besteck aus der obersten Schublade.
    »Genies«, korrigiere ich sie, »du Genie.«
    »Schon klar«, schnaubt sie. »Nicht alle von uns können so schlau sein. Manche müssen sich eben mit ihrer Schönheit zufriedengeben.« Sie zwinkert Tam zu. Tam lacht sogar leise, während sie ihren Ehering wieder an den Ringfinger steckt.
    »Wie viele sind wir eigentlich?«, fragt Helen mich.
    »Acht, dich eingeschlossen«, sage ich. Sie reicht mir eine Handvoll Messer und Gabeln.
    Aus Tams Einkaufstasche kommen drei Dips zum Vorschein, einer mit Auberginen (ah, die Königin aller Gemüse), einer mit Oliven und Tomaten, und ein Töpfchen Zaziki. Alle drei sind Knoblauchbomben. In seltenen Augenblicken müßiger Reflektion habe ich mich manchmal gefragt, ob die sinnlichen Freuden des Lebens nicht exponentiell verringert würden ohne diese prächtige kleine Knolle in ihren gedrängten Nestern, geschmückt mit fedrigen weißen Hüllen. Knoblauch. Es gibt tatsächlich drei grundlegende Zutaten der wirklich guten Küche. Helen und ich sind uns nur über zwei davon uneins. Bei Knoblauch sind wir uns einig. Für mich bildet er mit Chili und Zitrone die Heilige Dreifaltigkeit, Helen zählt Ingwer und Basilikum dazu. Das ist eine ständige Quelle unterschwelliger Spannung in unserer Freundschaft.
    Tam hat außerdem ein Paket Tiefkühl-Beeren und einen Block weiße Schokolade mitgebracht. »Für die weiße Schokoladensauce, die über die Beeren gegossen wird«, sagt sie. Das hat sie nur als Geschenk für uns mitgebracht, denn sie wird selbstverständlich nichts davon essen – zu viel Fett. Zu viel Zucker. Zu viel Spaß am Leben, wenn du mich fragst.
    Tam verkörpert die fragwürdige Güte mütterlicher Selbstlosigkeit, die eine übertriebene persönliche Erfüllung darin findet, nur vom Rand aus zuzusehen. Es kann einem davon schlecht werden. Ich gehöre nicht zu diesen Müttern, die nur durch ihre Kinder leben. Sieben Jahre in der erbarmungslosen Sonne der endlosen Wüste »Gebe!« als Mutter haben mich spröde gebacken. Wenn Tams Gehirn auch nur für fünf Minuten aufhören würde, alles zu überprüfen, würde der pure Spaß sie umbringen.
    »O Gott …« Helen schnappt nach Luft bei der Vorstellung von eisigen kleinen Beerenkieseln, angeschmolzen, aber nur ganz leicht, von der heißen, süßen, weißen Schokosauce.
    »Von Schokolade bekommt man Pickel«, sage ich zu Helen mit einem Blick auf den kleinen roten Vulkan an ihrem Kinn, der demnächst ausbrechen dürfte.
    »Tatsächlich?«, erwidert sie. »Vielen Dank, dass du mich darauf aufmerksam machst. Und ich nehme an, in diesem Top sehe ich dick aus …« Dann sagt sie zu Tam: »Ich mache gern die Sauce«, als es gerade wieder klingelt. »Machst du auf?«, bittet sie mich.
    »Gerne«, sage ich. Ich lasse Tam und Helen in der Küche zurück, wo sie über das Dessert diskutieren, und überlasse es Helen, die hundert Fragen darüber zu beantworten, welche Speisen des heutigen Abends Gluten enthalten, oder mögliche Spuren von Gluten enthalten könnten.
    Gluten. Die Geißel der Menschheit. Wenn man Tam ein paar Drinks einflößt, da bin ich sicher, könnte man sie dazu bringen, Gluten für alles Mögliche die Schuld zu geben, von der Klimaerwärmung bis hin zum Rassismus. Ich wünschte, ich könnte mit derselben Gewissheit »das eine« Element im Leben finden, das alles schiefgehen lässt – und wenn man es eliminiert hätte, würden sich sofort Harmonie und Gleichgewicht einstellen. Tams Überzeugung hat mich früher ganz aus der Fassung gebracht. Nach jeder Unterhaltung mit ihr war ich zutiefst verunsichert über die Art, wie ich meine Kinder großziehe. Es ist ja nicht so, als würde sie diese Bandwürmer der Angst absichtlich in meinen Bauch einschleusen, sie kann einfach nicht anders. Helen und ich sind zu der Erkenntnis gelangt, dass Tam eine Welt braucht, die aus Ursache und Wirkung besteht. Wo Erklärungen überall unter der Oberfläche treiben wie unsichtbare, aber lebensrettende Planken, die sich jeder angeln kann, wenn er
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