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Weiberabend: Roman (German Edition)

Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Weiberabend: Roman (German Edition)
Autoren: Joanne Fedler
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für alles, was unwiderruflich ausgelöscht wurde.
    Ich gehe auf Tam zu und nehme sie in den Arm. Ich frage mich, warum so viele Frauen Grausamkeit bei Männern attraktiv finden. Wir sind wie Motten, die vom Versprechen einer hellen Flamme angezogen werden und nie damit rechnen, dass uns diese Wärme aus der Nähe zu Asche verbrennen wird. Sie erwidert meine Umarmung nicht.
    »Wir haben alle Dinge getan, die wir bereuen«, sage ich.
    »Hast du ein Kind abgetrieben?«, fragt sie an meiner Schulter.
    »Nein«, sage ich leise.
    »Dann kannst du nicht wissen, was das für ein Gefühl ist«, sagt sie.
    Darauf habe ich keine Antwort. Sie hat recht. Ich weiß es nicht. Es gibt so vieles, was ich nicht weiß …
    »Vergib dir selbst«, flüstere ich ihr ins Ohr.
    Sie sagt nichts und rührt sich auch nicht.
    »Ich kann nicht«, sagt sie schließlich. »Das wäre ja, als würde ich die Schuld von mir weisen.«
    Helen betritt die Küche. »Was ist denn hier los?«, fragt sie lauthals.
    Ich werfe ihr mit hochgezogenen Brauen einen Blick zu und hoffe, dass sie so viel Verstand hat, uns in Ruhe zu lassen. Sie bemerkt meinen Blick, dreht sich um und sagt im Gehen: »Für das heiße Bad im Whirlpool sind noch Plätze frei.«
    »Ich muss jetzt nach Hause«, sagt Tam und löst sich von mir.
    »Möchtest du nicht doch über Nacht bleiben?«, frage ich.
    Sie schüttelt den Kopf. »Ich muss morgen wirklich sehr früh raus.«
    »Okay«, sage ich. »Es freut mich sehr, dass du heute Abend kommen konntest.«
    Ich begleite Tam zur Tür und halte sie ihr auf. Dann stehe ich auf der Schwelle und sehe zu, wie sie in ihr Auto einsteigt. Ich drücke ihre Beichte an mich wie einen Stein. Ich denke daran, wie Helen reagieren wird, wenn ich es ihr erzähle – mit Hass und Rachegelüsten gegen Kevin. CJ wird ungläubig den Kopf schütteln und nicht verstehen, warum Tam trotzdem mit Kevin zusammengeblieben ist. Liz wird sagen: »Das ist doch keine große Sache – ich habe auch schon ein Kind abgetrieben, weil es mir gerade nicht gepasst hat, also vergiss es einfach, Schätzchen.« Fiona wird voller Mitgefühl sein und ein Öl heraussuchen, das gegen Schuldgefühle hilft. Ereka wird im Stillen traurig sein und Tam bemitleiden, ebenso wie Dooly. Und was mich angeht, ich plane bereits einen spektakulären, glutenfreien Kuchen, für den ich einen ganzen Tag lang in der Küche stehen werde.
    »Willst du nicht wenigstens die Beeren und die Schokolade mitnehmen?«, rufe ich ihr nach. »Ich hole sie dir schnell.«
    Tam schüttelt den Kopf. »Nein, danke, teilt ihr sie doch morgen unter euch auf. Nehmt etwas für die Kinder mit nach Hause.« In ihrer Stimme schwingt keine Spur moralischer Überheblichkeit mit. Habe ich mir das die ganze Zeit über nur eingebildet?
    Ich nicke. »Fahr schön vorsichtig«, rufe ich. Sie lässt den Motor an und lächelt zurückhaltend durch das Autofenster. Ich stehe da und sehe ihr nach, als sie aus der Auffahrt zurücksetzt, nicht ohne zu blinken, obwohl die Straße wie ausgestorben ist.
    Selbsthass ist ein schreckliches Verlies des Verschweigens. Niemals zu vergessen, ist eine gewaltige Verpflichtung. Sie schließt uns von der Vergebung aus, die nur wir selbst uns gewähren können. Aber manche von uns entscheiden sich, gleich den Schlüssel wegzuwerfen, als sei ewige Bestrafung die einzig legitime Buße.
    Mutter zu sein, ist keine Kleinigkeit. Es ist keine Frage von Zabaglione oder gefrorene Beeren mit geschmolzener Schokolade. Mutter sein ist das ultimative Bindeglied – zwischen Leben und Tod. Wenn man all die romantischen, verklärten Vorstellungen entfernt, erkennt man eine Wüste, die keinerlei Trost bietet für die Irrtümer, Missgeschicke und Fehler, mit denen wir uns unwissentlich versündigen, wenn wir uns entscheiden müssen, ob wir für jene »unser Bestes tun«, die wir auf die Welt gebracht haben, oder selbst überleben wollen.
    Das Geräusch von Tams Wagen treibt noch durch die Nacht, als sie schon längst weggefahren ist.

20 Der Morgen danach
    E igentlich sollte es Rührei mit Schalotten, getrockneten Tomaten, Feta und Sauerteig-Toast zum Frühstück geben. Aber ich habe weder die Kraft noch den gesunden Magen, mich der Küche zu stellen, die mit den Überresten des Festmahls von vergangener Nacht übersät ist. Auf der Arbeitsplatte steht ein offener Becher Honig-Zimt-Joghurt – ich hasse so etwas und nörgle furchtbar an meinen Kindern herum, wenn sie Milch oder Butter über Nacht einfach draußen stehen
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