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Wasser

Wasser

Titel: Wasser
Autoren: Terje Tvedt
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Kuppel erbaut hatte, die florentinische Regierung davon, diese Waffe auch in der Praxis zu erproben. In der Absicht, die Nachbarstadt Lucca zu überschwemmen, ließ er den Serchio aufstauen, doch sein Vorhaben misslang.
    Leonardo und Machiavelli indes entwickelten einen noch viel umfassenderen und kühneren Plan. Um Florenz in eine Hafenstadt zu verwandeln, sollte der Arno in einen Kanal überführt und durch die Stadt Pistoia, 20 Kilometer nördlich des natürlichen Flusslaufs, geleitet werden, um dann in einem Tunnel unter dem Berg Serra-valle hindurchzufließen – und dabei gleichzeitig Pisa von seiner Lebensader abzuschneiden. Zwischen 1503 und 1504 arbeitete Leonardo die Details dieses Projektes aus. Er präzisierte, wie der Fluss umgeleitet werden sollte, stellte Überlegungen zur erforderlichen Tiefe des Kanals an, berechnete Strömungsverhältnisse und die Menge der zu bewegenden Erde und zeichnete sogar das Modell für eine Art Ausgrabungsmaschine.
    Leonardo da Vinci malte die »Mona Lisa« mit ihrem hintergründigen Lächeln, das wohl berühmteste Bild der Weltgeschichte, und arbeitete zur selben Zeit an Plänen, den Arno als Waffe gegen die Nachbarstadt Pisa einzusetzen. Ein Historiker meint, dass Leonardo, als er die Frau eines der reichsten Männer von Florenz malte, wohl auch dieses listenreiche Projekt im Hinterkopf hatte.« 92 Machiavelli, der eine zentrale administrative Position innehatte, unterstützte das Projekt mit allen Mitteln und stellte die Finanzierung auf die Beine. Doch das Vorhaben missglückte. Einige Historiker sindder Ansicht, dass es gescheitert sei, weil Leonardos technische Ratschläge nicht berücksichtigt wurden. Andere meinen, dass der Plan den Arno unterschätzt und die Schwierigkeiten ignoriert habe, die bei dem Versuch, den Fluss dem Willen der Renaissancemenschen zu unterwerfen, aufgetaucht wären. Leornado und Machiavelli erfuhren schmerzhaft, was der englische Philosoph Francis Bacon nur reichlich einhundert Jahre später so ausdrückte: »Natur läßt sich nur durch Gehorsam besiegen.« 93
    Während ich auf dem Ponte Vecchio stehe und den Arno auf seinem Weg nach Pisa betrachte, fallen mir T. S. Eliots Verse aus seinem Gedicht »The Dry Salvages« (1941) ein: »Ich weiß nicht viel von Göttern, halte aber den Strom / für einen mächtigen, braunen Gott – finster, ungezähmt und unbändig / […]. Der Strom ist in uns, die See ist um uns« 94 . Machiavelli und Leonardo versuchten, sowohl den Arno als auch den Lauf der Geschichte zu kontrollieren, indem sie Wissenschaft, Technologie und Macht kombinierten. Die Wasserfürsten der Zukunft werden über eine technologische und ökonomische Macht verfügen, die sich Leonardo und Machiavelli nicht einmal vorzustellen vermochten. Die Versuchung, diese Wassermacht auf dieselbe despotische Art wie die führenden Denker der Renaissance auszuüben, wird nicht verschwinden. Einem solchen Verhalten kann nur mit einem bindenden internationalen Regelwerk, das über globale Rechtsautorität verfügt, sowie durch internationale Organe mit entsprechenden Ressourcen und Machtmitteln wirksam begegnet werden.
    Doch überall auf der Erde erfahren jedes Jahr tausende kleiner und großer Gesellschaften, auch wenn sie noch so modern sind, dass die Flüsse und das Wasser nur schwer zu beherrschen sind. Pisa wurde im 13. Jahrhundert entscheidend dadurch geschwächt, dass der Arno an seiner Mündung versandete. So zog die Stadt also kein feindlicher Stadtstaat, sondern die Natur selbst in Mitleidenschaft. Auch Florenz geriet wiederholt in Gefahr. 1966 kam es zu einer großen Katastrophe: Weite Teile der Stadt wurden bei einer Sturmflut überschwemmt, und einer der größten Verluste anKunstschätzen unserer Zeit war die Folge. Ungeachtet aller groß angelegten Versuche des Menschen, das Wasser zu beherrschen, lässt es sich nicht völlig kontrollieren. Insbesondere in unserem Zeitalter der Klima-Unsicherheit wird immer deutlicher, dass das Wasser die Gesellschaft umso stärker beherrscht, je mehr diese davon abhängt, es kontrollieren zu müssen.
    Das zeigte sich erneut 2013 in Mitteleuropa. Ein langer Winter, dem Wochen mit starken Regengüssen folgten, ließ die großen Flüsse Donau und Elbe mit ihren zahlreichen Nebenflüssen über die Ufer treten. Mancherorts ging innerhalb von nur zwei Tagen die Regenmenge von zwei Monaten nieder. In Deutschland durchbrach die Elbe mehrere Deiche und überschwemmte weite Gebiete. Der Fluss erreichte auf
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