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Was vom Tode übrig bleibt

Was vom Tode übrig bleibt

Titel: Was vom Tode übrig bleibt
Autoren: P Anders
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und der Farbe des Badewassers.
    Wanne und Wanneninhalt erinnerten mich an eine Blumenvase, bei der man vergessen hatte, das Wasser zu wechseln. In einer Vase trübt sich das Wasser dann ja langsam ein bis sich immer mehr Pflanzenteile lösen und zum Schluss eine grünliche, schmierig schlierige Brühe entsteht. Und so muss man sich auch das Wasser in der Badewanne vorstellen. Es füllte die Wanne etwa zur drei Fünfteln. Es war braun, rostbraun, trüb, und auf der Oberfläche trieben einige Fettaugen. Etwa zehn, 15 Zentimeter über dem Wasserspiegel war der Schmutzrand, den das Wasser mit der darin liegenden Leiche gehabt hatte– die Tote war ziemlich umfangreich gewesen. Über dem Wannenrand hing eine altrosafarbene Antirutschmappe für Dusch- oder Badewannen. Und am Wannenrand, am Wasserrand und auf der Mappe waren zahlreiche tief dunkelbraune bis schwarze Fetzen, was ebenfalls dafür sprach, dass die Tote schon länger in der Wanne gelegen hatte. Die Fetzen waren Hautreste, die sich beim Herausholen der Toten gelöst hatten und die an verschiedenen Stellen hängengeblieben waren. Ich war zwar nicht dabei gewesen, aber ich hatte in Schwabing vor 20 Jahren als junger Feuerwehrmann einmal bei einem ähnlichen Fall miterlebt, wie man das macht.
    Damals gab es keine Tatortreiniger und die Feuerwehr machte noch kleinere Servicetätigkeiten, so wie sie früher auch Wespennester beseitigen durfte. Wir sollten also das Wasser in der Wanne abpumpen, nachdem die Bestatter die Leiche abtransportiert hatten. Die machten sich sofort an die Arbeit. Sie legten den Leichensack vor die Wanne und packten ein Tragetuch aus. Es leuchtete ziemlich schnell ein, warum. Wenn eine Leiche mehrere Wochen im Wasser liegt, löst sie sich auf. Sie bläht sich auf, ja, sie überzieht sich mit dieser Wachsschicht, aber das alles hält nicht ewig. Irgendwann platzt die Leiche, Wasser dringt ein, sie verfault, und zwar durch und durch. Das ist, als ob man Fleisch mehrere Tage lang gekocht hätte, das zerfällt buchstäblich unter dem Kochlöffel, und wenn man als Bestatter in so eine Wanne greift, der eine oben an den Schultern, der andere unten bei den Füßen, zieht man die Teile raus wie beim Tranchieren einer Weihnachtsgans. Also nimmt man das Tuch, das etwa so groß ist wie ein Bettlaken, an zwei Enden der Schmalseite und zieht es hinter dem Kopf des Toten unter seinem Rücken am Wannenboden entlang nach vorne, bis man unter den Füßen wieder rauskommt. Dabei kann man sich noch so sanft und behutsam anstellen, man schabt damit am völlig durchweichten Rücken des Toten entlang, und man schabt umso härter, je schwerer der Tote ist. Und was sich dabei löst, sorgt weiter dafür, dass das Badewasser so aussieht, wie es bei der Wanne der alten Dame ausgesehen hat. Dann packen die Bestatter das Laken, einer am Kopfende, einer am Fußende, und heben an.
    In dem Moment wird die Leiche nicht mehr vom Wasser entlastet. Wasser stützt ja, im Wasser fühlen sich auch dicke Menschen relativ leicht und beweglich. Sobald die Leiche herausgehoben wird, wirkt ihr ganzes Gewicht auf sie und sie fällt zusammen wie Brei, der allenfalls noch menschliche Umrisse hat. Und damit trödelt man dann auch nicht, sondern befördert alles möglichst vollständig und auf einen Schwung in den Leichensack. Wir hatten damals unseren E-Sauger dabei, aber der E-Sauger ist kein Häcksler. Er schlürft zwar allerhand weg, aber man darf ihn nicht verstopfen. Als ich mir die dreckige Brühe in jener Wanne näher angesehen und viel zu viele Kleinteile und nicht ganz so kleine Kleinteile darin entdeckt habe, habe ich beschlossen, diese zuvor noch zu entfernen. Weil ich weder reingreifen noch unseren E-Sauger ruinieren oder hinterher saubermachen wollte, ging ich kurzerhand in die Küche des Toten und holte eine Suppenkelle, mit der ich dann das Gröbste aus der Wanne angelte und in den Leichensack schöpfte. Das mag manchem jetzt wenig pietätvoll vorkommen oder auch ziemlich brutal, aber es ist Feuerwehrdenke, und wer sich daran stößt, darf gerne mit Gegenvorschlägen kommen– es gibt nicht viele Alternativen, die schnell umsetzbar sind. Im Übrigen: Falls es dafür etwas zu büßen gibt, haben wir gebüßt, mein Kollege und ich, damals. Der E-Sauger und auch unsere Uniformen haben derart nach Leiche gestunken, dass sich unsere Kollegen geweigert haben, uns im Einsatzwagen mitfahren zu lassen. Wir mussten dann zu Fuß zur Feuerwache gehen. Es war zwar nicht weit, aber skurril
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