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Was ist Gott?: Das Buch der 24 Philosophen (German Edition)

Was ist Gott?: Das Buch der 24 Philosophen (German Edition)

Titel: Was ist Gott?: Das Buch der 24 Philosophen (German Edition)
Autoren: Kurt Flasch
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vierundzwanzig Denker treten nicht stramm geordnet im Gänsemarsch vor. Sie erlauben sich in der Abfolge ihres Auftretens eine gewisse Freiheit. Dies hat die Meinung begünstigt, das Buch bringe ein Sammelsurium tiefsinniger Aussprüche, denen kein gemeinsames philosophisches Konzept zugrunde liege. Dieser Eindruck wurde mehrfach ohne genaue Analyse geäußert; ich will ihn im Durchgang durch den Text prüfen.
    Als vorläufige Arbeitshypothese schlage ich vor: Das Buch hat eine klare theoretische Position, die an den drei Hauptinhalten zutage tritt: erstens am Begriff Gottes, zweitens an der Auffassung des Verhältnisses Gottes zur Welt, drittens in der Philosophie der menschlichen Erkenntnis. Den Anspruch an logische Kohärenz werden wir nicht zu hoch ansetzen; es gab immer wieder große Philosophen, die empirische, gar empiristische Ansätze mit Metaphysik kombinierten. Nicht wenige suchten zu vermitteln zwischen Platon, Aristoteles und stoischen Lehren.
4. Gott: Das Leben als Ganzes
    Gott wird vierundzwanzigfach definiert und als der Undefinierbare erkannt. Die Hinweise auf die Unerkennbarkeit mehren sich gegen Ende des Buches, mit den Thesen XVI, XVII, XXI und XXIII.
    Der Gott dieses Buches ist durchgängig die unendliche Einheit, die in sich selbst bewegt ist. Er ist die Monade, die zeugt. Ihr Zeugen ist eher ein Sichauszählen als ein biologischer Vorgang. Ihr Wesen ist innere Bewegtheit. Ihre rastlose Tätigkeit im Nu der Ewigkeit schließt es aus, dass dieser Gott eine einsame mathematische Größe, eine für sich bleibende Monas wäre. Er ist kein Fels des reinen Seins. Er denkt sich und alles. Der originelle Ausdruck dafür lautet, er sei die Gesamtheit dessen, was geschieht, die totalitas successivorum (IX h S. 15, Z. 6; hier S. 49). Er vervielfältigt sich in sich selbst, so dass man metaphorisch von Einheit, Zweiheit und Dreiheit bei ihm reden kann. Diese Dreizählung wird wieder zurückgenommen; sie wird ausgelegt als das Zusammen von Einheit, Wahrheit und Gutheit. Die Dreiförmigkeit bedeutet Lebensbewegung, die in sich selbst nach außen geht und zu sich zurückkehrt. Das neuplatonisierende Schema von Ausgang und Rückkehr, processus und conversio , findet in unserem Text zweifache Anwendung: Es charakterisiert das Leben der allumfassenden Einheit und bezeichnet die Bewegung der menschlichen Seele (VII h S. 15, Z. 5–9; hier S. 44–45).
    Bleiben wir zunächst bei der Gottheit: Sie wird charakterisiert als Über-Sein, als superesse (XI h S. 18, Z. 6); sie ist die Gesamtheit des Seins und steht zugleich über allem Sein: ipsa simul ubique tota ens, etiam similiter super et extra (III h S. 9, Z. 4–5; hier S. 34). Dass die göttliche Einheit vor der Differenz von Sein und Nichtsein steht, hat Platon im Staat 509 b für die Idee des Guten ausgesprochen. Es ist aus folgendem Grund leicht einzusehen: Auch das Nichtseiende, das wir denken, trägt als eine einheitliche Bestimmung. Einheit findet sich auf beiden Seiten der Alternative von Sein oder Nichtsein. Ihr letzter Grund muss der Grund für beides sein. Diese Überlegung ändert das Konzept der Substanz. Sie ist nicht der letzte Anhalt des Denkens. Sie steht nicht vor uns als der stabile Block des Seins. Sie ist Grundlage für Eigenschaften, aber unter ihr steht das Nichts. Dies gehört ihr objektiv zu; es wird nicht von uns aus ihr zugefügt. Sein bedeutet auch Beschränktsein, clausio . Omne esse clausionem dicit (X h S. 16, Z. 11; hier S. 50). Wenn alles Sein Ausschluss bedeutet, kann die Unendlichkeit nicht als Sein konzipiert werden, oder es wird wie eine paradoxe Aussage erwähnt, dass nur Gottes Sein keine Grenze hat. Unser Buch wiederholt es: Weil Sein Begrenztsein heißt, ist die Einheit ein Über-Sein, superesse : Esse omne clausionem dicit. Superest igitur qui non clauditur (XI h S. 18, Z. 4; hier S. 52). Dieser Gedanke findet dramatisch-metaphorischen Ausdruck in den Wendungen: Das Nichts sei eingekerkert beim Zentrum der allumfassenden Kugel (XIV h S. 21, Z. 2; hier S. 56); das Nichts liege der Substanz als das ihr Fremde zugrunde (VI h S. 12, Z. 8; hier S. 53). Gottes Übersein bildet den Gegensatz zum Nichts durch Vermittlung des Seins (XIV).
    Die Einheit weist jede Grenze ab. Sie ist das ganze Leben, vita tota (VIII h S. 14, Z. 3, hier S. 47). Die Sprachspiele mit der Kugel, deren Mittelpunkt überall ist und die so viele Umfangslinien wie Punkte hat (II und XVIII), üben die Vorstellungskraft, die imaginatio , auf diesen Gedanken
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