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Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Titel: Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)
Autoren: Florencia Bonelli
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alten Adelsresidenz. Sie war in einem schlechten Zustand und lohnte sich nur wegen der herrlichen Aussicht auf den Golfo de Tigullio und die bunten Häuser am Hafen. Am Abend vor der Abreise aus Portofino bat Francesca Kamal, mit ihr ins Aostatal zu fahren, wo sie endlich die Villa Visconti kennenlernen würde, das alte Schloss, das einmal der Familie ihres Onkels gehört hatte.
    Das Aostatal hatte mehr von der Schweiz und von Frankreich als von Italien, und auch der örtliche Dialekt mit den starken französischen Anklängen verriet seine wahren Ursprünge. In Châtillon, einem kleinen Dorf kurz vor der Grenze, fragte Francesca einen Bauern, der eine Kuh über die Straße trieb, ob er die Villa Visconti kenne. » Certo , selbstverständlich!«, bestätigte der Mann, um dann zu erklären, dass sie heute nur noch »die Villa« genannt werde. Er beschrieb ihnen den Weg, und einige Minuten später hielten sie vor dem Tor, hinter dem das Anwesen lag. Francesca und Kamal ließen das Auto stehen und gingen zu Fuß weiter. Auf einer Anhöhe, flankiert von Zypressen und Tannen, erhob sich die Residenz, die sie so oft auf dem Ölgemälde in Alfredos Büro bewundert hatte. Wenn ihr Onkel doch hier sein könnte!, dachte Francesca sehnsüchtig. Sie stiegen die Treppe zum Eingangsportal hinauf, einer beeindruckenden Eichentür mit glänzenden Beschlägen, und klopften an.
    »Vielleicht lässt man uns ja rein, um es zu besichtigen«, meinte Kamal.
    Es öffnete ein alter Mann im eleganten Frack, der sie reserviert musterte. Kamal stellte sich auf Französisch vor, und der Butler ließ sie ein. Er bat sie, zu warten. Francesca sah sich staunend um, ohne zu begreifen, dass ihr Onkel an einem solchen Ort gelebt hatte, wo derartige Pracht und Eleganz regierten. Durch die schweren roten Samtvorhänge im Vestibül war die Haupttreppe aus weißem Marmor zu erkennen. Auf dem Treppenabsatz gab ein großes Fenster den Blick auf die sommerliche Alpenlandschaft frei, auf grüne Wiesen und gelb blühenden Ginster. Jedes Detail des Vestibüls entlockte Francesca Ausrufe des Entzückens: Die in Pastellfarben gehaltenen Deckenfresken mit ihren romantischen Allegorien, die Buntglasscheiben, die das Licht filterten und den Raum in Rot- und Grüntöne tauchten, die grauen, beinahe lavendelfarbenen Stuckwände, die mit blauer Seide bezogenen Sesselchen, die Porzellanvasen und Ölgemälde.
    Im Nachbarraum waren Alfredo und Antonina aufgestanden, als sie Francescas Stimme hörten. Der Butler führte die beiden ins Vestibül. In der Annahme, es mit der Hausherrin zu tun zu haben, drehte Francesca sich völlig ahnungslos um.
    » Figliola «, sagte Antonina, und Francesca sah sie ungläubig an. » Figliola, sono io, tua mamma .«
    Die Frauen fielen sich in die Arme, während Fredo versuchte, Haltung zu bewahren. Kamal hielt sich abseits, bis Francesca sich nach ihm umsah.
    »Vor einigen Tagen«, erklärte Fredo, »rief dein Mann mich an und schlug vor, dass wir uns hier in Châtillon treffen, genauer gesagt in der Villa, die einmal meinem Vater gehörte. Er schickte uns Flugtickets, und gestern sind wir in Mailand gelandet. Heute morgen hat uns ein Chauffeur abgeholt und hierhergebracht. So ist das gewesen«, schloss Alfredo. »Diese Überraschung war einzig und allein die Idee deines Mannes – du musst dich also bei ihm bedanken.«
    »Ach, Liebster«, flüsterte Francesca immer wieder und streichelte seine Wange, unfähig, ein anderes Wort herauszubringen. Kamal drückte sie an sich und lächelte:
    »Ich bin fast sicher, dass man uns einen Rundgang durch die Villa gestatten wird«, meinte Fredo. »Der Butler war sehr freundlich zu uns. Wir sagten ihm, dass wir draußen auf euch warten könnten, aber er bestand darauf, dass wir im Salon blieben. Er servierte uns sogar Kaffee und ein Gläschen Sherry.«
    »Wir sollten jetzt mit der Besitzerin sprechen«, schlug Kamal vor. »Vielleicht lädt sie uns sogar zum Tee ein.«
    »Die Besitzerin?«, fragte Fredo verwundert. »Kennen Sie sie?«
    »Ja«, antwortete Kamal zwanglos. »Francesca, Liebling, würdest du uns wohl gestatten, deine wunderbare Villa Visconti zu besichtigen?«
    »Meine wunderbare Villa Visconti?«, wiederholte sie verständnislos. »Meine … Villa?«
    »Ja, deine Villa. Die Villa Visconti gehört dir. Ich habe sie für dich gekauft. Sie ist mein Hochzeitsgeschenk.«
    Francesca blickte sich mit Tränen in den Augen um, und ein Schauder durchlief ihren Körper. Was hatte Kamal da gesagt? Er
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