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Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
Autoren: Hans Küng
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keine Bedingung der Möglichkeit der fraglichen Wirklichkeit anzugeben. Wer Gott verneint, weiß nicht, warum er letztlich der Wirklichkeit vertraut.
    Das heißt: Der Atheismus lebt, wenn schon nicht aus einem nihilistischen Grundmißtrauen, so jedenfalls aus einemletztlich unbegründeten Grundvertrauen. Im Nein zu Gott entscheidet sich der Mensch gegen einen ersten Grund, tiefsten Halt, ein letztes Ziel der Wirklichkeit. Im Atheismus erweist sich das Ja zur Wirklichkeit als letztlich unbegründet: ein frei treibendes, nirgendwo verankertes, gehaltenes, gerichtetes und deshalb paradoxes Grundvertrauen. Im Nihilismus ist ein Ja zur Wirklichkeit wegen des radikalen Grundmißtrauens überhaupt nicht möglich. Der Atheismus vermag keine Bedingung der Möglichkeit der fraglichen Wirklichkeit anzugeben. Deshalb läßt er, wenn gewiß auch nicht jede, so doch eine radikale Rationalität vermissen, was er freilich oft verschleiert durch ein rationalistisches, aber im Grund irrationales Vertrauen zur menschlichen Vernunft.
    Nein, es ist nicht gleichgültig, ob man Ja oder Nein zu Gott sagt: Der Preis, den der Atheismus für sein Nein zahlt, ist offenkundig! Er setzt sich der Gefährdung durch eine letzte Grundlosigkeit, Haltlosigkeit, Ziellosigkeit aus: der möglichen Zwiespältigkeit, Sinnlosigkeit, Wertlosigkeit, Nichtigkeit der Wirklichkeit überhaupt. Der Atheist setzt sich, wenn er sich dessen bewußt wird, auch ganz persönlich der Gefährdung durch eine radikale Verlassenheit, Bedrohtheit und Verfallenheit aus mit allen Folgen des Zweifels, der Angst, ja der Verzweiflung. Dies alles natürlich nur, wenn Atheismus Ernstfall und nicht intellektuelle Attitüde, snobistische Koketterie, öd gedankenlose Oberflächlichkeit ist.
    Für den Atheisten bleiben jene letzten und doch zugleich nächsten und durch kein Frageverbot zu verdrängenden »ewigen« Fragen des menschlichen Lebens unbeantwortet, die sich nicht nur an den Grenzen des Menschenlebens, sondern mitten im persönlichen und gesellschaftlichen Leben stellen. Um nochmals an die Fragen Kants anzuknüpfen:
    Was können wir wissen ? Warum gibt es überhaupt etwas? Warum ist nie nichts? Woher kommt der Mensch und wohin geht er? Warum ist die Welt, wie sie ist? Was ist der letzte Grund und Sinn aller Wirklichkeit?
    Was sollen wir tun ? Warum tun wir, was wir tun? Warum und wem sind wir letztlich verantwortlich? Was verdient schlechthinnige Verachtung, was Liebe? Was ist der Sinn von Treue und Freundschaft, aber auch der von Leid und Schuld? Was ist für den Menschen entscheidend?
    Was dürfen wir hoffen ? Wozu sind wir auf Erden? Was soll das Ganze? Gibt es etwas, was uns in aller Nichtigkeit trägt, was uns nie verzweifeln läßt? Ein Beständiges in allem Wandel, ein Unbedingtes in allem Bedingten? Ein Absolutes bei der überall erfahrenen Relativität? Was bleibt uns: der Tod, der am Ende alles sinnlos macht? Was soll uns Mut zum Leben und was Mut zum Sterben geben?
    Wahrhaftig, all dies sind Fragen, die aufs Ganze gehen: Fragen nicht nur für Sterbende, sondern für Lebende. Nicht nur für Schwächlinge und Uniformierte, sondern gerade für Informierte und Engagierte. Nicht Ausflüchte vor dem Handeln, sondern Anreiz zum Handeln. All dies sind Fragen, die im Atheismus zutiefst unbeantwortet bleiben. Dagegen die These: Das Ja zu Gott bedeutet ein letztlich begründetes Grundvertrauen zur Wirklichkeit: Der Gottesglaube als das radikale Grundvertrauen vermag die Bedingung der Möglichkeit der fraglichen Wirklichkeit anzugeben. Wer Gott bejaht, weiß, warum er der Wirklichkeit vertrauen kann.
    Der Gottesglaube lebt aus einem letztlich begründeten Grundvertrauen: Im Ja zu Gott entscheide ich mich vertrauensvoll für einen ersten Grund, tiefsten Halt, ein letztes Ziel der Wirklichkeit. Im Gottesglauben erweist sich mein Ja zur Wirklichkeit als letztlich begründet und konsequent: ein in der letzten Tiefe, im Grund der Gründe verankertes und auf das Ziel der Ziele gerichtetes Grundvertrauen. Mein Gott-Vertrauen als qualifiziertes, radikales Grundvertrauen vermag also die Bedingung der Möglichkeit der fraglichen Wirklichkeit anzugeben. Insofern zeigt es, anders als der Atheismus, eine radikale Rationalität, die freilich nicht einfach mit Rationalismus verwechselt werden darf.
    Nein, es gibt kein Patt zwischen Gottesglauben und Atheismus! Der Preis, den der Gottesglaube für sein Ja erhält, ist offenkundig. Weil ich mich statt für das Grundlose für einen Urgrund, statt
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