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Warum tötest du, Zaid?

Warum tötest du, Zaid?

Titel: Warum tötest du, Zaid?
Autoren: PeP eBooks
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geworden, in dem die Menschen aus Angst vor Al-Qaida und den Todesschwadronen radikal-schiitischer Politiker als Erstes wieder altertümliche Sitten und Bräuche eingeführt haben.
    Zaids Blick verdüstert sich, als ich ihn bitte, mir aus seinem Leben zu erzählen, vor allem aber von seiner Tätigkeit als Widerstandskämpfer – vielleicht sogar mit Fotos. Abweisend, aber auch ein wenig müde und traurig schaut er mich an. Ich spüre, dass vor seinem geistigen Auge gerade sein ganzes Leben im Schnelldurchlauf Revue passiert.

    Zaid fährt sich mit seiner linken Hand über die Augen und schüttelt den Kopf: »Da kann ich mir ja gleich Häftlingskleidung kaufen. Für die USA sind wir alle Terroristen. Die machen keinen Unterschied zwischen Terroristen, die Zivilisten ermorden, und echten Widerstandskämpfern, die für die Freiheit ihres Landes kämpfen. Die kennen weder unsere Träume noch unsere Trauer. Wir sind in ihren Augen nichts wert. Wenn sie mich nicht kriegen, werden sie meine ganze Familie umbringen.
    Erzählen Sie, dass ich im Widerstand kämpfe und dass ich mehrere Familienmitglieder verloren habe. Aber mit Einzelheiten und Fotos kann ich Ihnen nicht helfen. Oder gehen Sie für mich nach Guantánamo?« Zaid ist aufgestanden. Seine Körpersprache ist ein einziges großes NEIN.
    Ich versuche ihm zu erklären, dass auch ich mit meinem Besuch im Irak einiges riskiere. Aber das scheint Zaid nicht zu interessieren. »Wir können gerne tauschen«, meint er abweisend und wendet sich zum Ausgang des kleinen Gartens, in dem wir sitzen.
    Vor dem Tor dreht er sich noch einmal um und murmelt: »Ich denke heute Nacht darüber nach. Und Sie sollten darüber nachdenken, wie Sie meiner Familie helfen, wenn ihr aufgrund Ihres Buches etwas zustößt.« Dann entschwindet er in der Abenddämmerung von Ramadi.
    Fahrt zur Grenze
    In der Nacht vor dieser ersten Begegnung mit Zaid klingelt schon um zwei Uhr der Wecker in meinem Hotelzimmer in Damaskus. Schlaftrunken versuche ich, ihn zum Schweigen zu bringen. Aber ich finde ihn nicht. Inzwischen beginnt auch der zweite Wecker, den ich sicherheitshalber
weit weg von meinem Bett aufgestellt habe, schrille Töne von sich zu geben.
    Ich kapituliere. Ich weiß, ich muss aufstehen. Um drei Uhr will ich zur irakischen Grenze aufbrechen. Zwei Uhr, eine grauenhafte Uhrzeit für einen bekennenden Langschläfer! Zu Hause würde ich mich wieder genüsslich umdrehen, um dann gegen neun Uhr ins Büro zu fahren.
    Aber ich weiß, ich muss noch einmal in den Irak. Nicht mit den amerikanischen Besatzungstruppen als »embedded journalist«. Ich will das Land nicht durch die Brille der Besatzer sehen, und auch nicht aus der Perspektive eines in der »Grünen Zone« von Bagdad verschanzten Reporters. Ich will den Irak aus der Sicht der Opfer, aus der Sicht des Widerstands sehen.
    Eine Stunde später – nachdem ich eine große Kanne Kaffee in mich hineingeschüttet habe – sitze ich in einem alten gelben Taxi, dessen wie ich etwas zerknittert aussehender syrischer Fahrer kein Wort Englisch spricht. Ich versuche, ihm klarzumachen, dass ich zum syrisch-irakischen Grenzübergang Al-Tanf wolle.
    Entgeistert dreht er sich um. »Al-Tanf?«, wiederholt er und macht mit der Innenkante seiner Hand eine Bewegung, mit der er zeigen will, dass man mir dort die Gurgel durchschneiden werde. Ich sage: »Yes, Al-Tanf! Yallah!« – was so viel heißt wie »Auf geht’s!«
    Kopfschüttelnd gibt der Fahrer Gas. Es ist kurz nach drei. Für die frühe Uhrzeit herrscht erstaunlich viel Verkehr in Damaskus. Erste Straßenhändler beginnen ihre Waren auf den Gehwegen auszubreiten. Metzgereien, die kurz zuvor geschlachtet haben, öffnen bereits ihre Türen. Wir fahren vorbei an einer christlichen Kirche, deren hell erleuchtetes Kreuz das ganze Viertel überstrahlt. Entlang der imposanten, über zweitausend Jahre alten Stadtmauer von Damaskus geht es Richtung Südosten.

    Ich öffne mein Handy und nehme die SIM-Karte heraus. Sicher ist sicher! Über nichts ist man heute leichter zu orten als über ein Handy. Während meines Irakaufenthalts muss niemand wissen, wo genau ich mich befinde.
    Nach zehn Kilometern erreichen wir die Sayyida-Zainab-Moschee. Neben ihren prächtigen, olivgrün gekachelten Minaretten müssen wir in einem hässlichen, verlotterten Gebäude eine Reisegenehmigung für die Fahrt zur irakischen Grenze beantragen. Die Syrer tun alles, um Reisen in den Irak zu erschweren. Die Vorwürfe der US-Administration,
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