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Warte, bis du schlaefst

Warte, bis du schlaefst

Titel: Warte, bis du schlaefst
Autoren: Mary Higgins Clark
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fiele, St. Francis zu schließen, und dagegen hätte er sich, wenn er aufrichtig sein wollte, kaum stemmen können. Schließlich stammte sie noch aus dem neunzehnten Jahrhundert, und es standen größere Restaurierungsarbeiten an. Doch dann, als neue Wohnblöcke in der Gegend errichtet und ältere renoviert wurden, durfte er mit Genugtuung erleben, dass nach und nach neue Gesichter bei der sonntäglichen Messe auftauchten.
    Das Anwachsen der Gemeinde versetzte ihn in den vergangenen fünf Jahren in die Lage, einige dieser Reparaturarbeiten durchführen zu lassen. Die farbigen Glasfenster wurden gereinigt; die Wandgemälde von den über die Jahre angesammelten Schmutzablagerungen befreit; die Kirchenstühle abgeschliffen und neu gestrichen, die Kniebänke mit einem neuen weichen Bezug versehen.
    Als dann Papst Benedikt den Erlass herausgab, wonach es im Ermessen des einzelnen Pfarrers lag, auch tridentinische Messen zu halten, gab Devon, der über sehr gute Lateinkenntnisse verfügte, bekannt, dass künftig die Elfuhrmesse
in der altüberkommenen Sprache der Kirche zelebriert werden würde.
    Das Echo war erstaunlich. Die Messe war jetzt immer gut besucht, teils sogar überfüllt, nicht nur mit älteren Gläubigen, sondern auch mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die ehrerbietig mit »Deo gratias« anstelle von »Dank sei Gott« antworteten und »Pater noster« statt »Vater unser« beteten.
    Devon war achtundsechzig, zwei Jahre jünger als sein Bruder, den er am 11. September verloren hatte, und er war Onkel und Pate jenes Neffen, der verschwunden war. Wenn er bei der Messe die Gemeinde zum stillen Gebet aufforderte, galt seine erste Fürbitte immer Mack und dass er eines Tages zurückkommen möge.
    An Muttertag war dieses stille Gebet immer besonders inbrünstig, und so war es auch heute gewesen. Als er nach der Messe ins Pfarrhaus zurückkehrte, fand er auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht von Carolyn vor. »Onkel Dev – er hat heute um drei Uhr in der Früh angerufen. Scheint ihm gut zu gehen. Hat ziemlich bald wieder aufgelegt. Wir sehen uns heute Abend.«
    Monsignore Devon bemerkte die Anspannung in der Stimme seiner Nichte. Die Erleichterung darüber, dass sein Neffe angerufen hatte, mischte sich mit hellem Zorn. Zum Teufel, Mack, kannst du dir eigentlich vorstellen, was du uns antust? Devon löste sein Kollar und griff zum Telefon, um Carolyn zurückzurufen. Noch bevor er die Nummer eingeben konnte, klingelte es an der Haustür.
    Es war sein Freund aus Kindertagen, Frank Lennon, ein pensionierter Softwaremanager, der an den Sonntagen als Gottesdiensthelfer fungierte und die Kollekte zählte, in das Buch eintrug und einzahlte.

    Devon hatte langjährige Übung darin, aus den Gesichtern der Menschen zu lesen und sofort zu wissen, wenn es ein wirkliches Problem gab. Genau das las er in Lennons von zahlreichen Falten durchzogenem Gesicht. »Was ist los, Frank?«, fragte er.
    »Mack war in der Elfuhrmesse, Dev«, antwortete Lennon. »Er hat eine Nachricht für dich im Körbchen hinterlassen. Sie war in einen Zwanzigdollarschein eingewickelt.«
    Monsignore Devon MacKenzie nahm den Zettel entgegen, las die zehn Worte, die darauf gedruckt waren, las sie ein zweites Mal, weil er seinen Augen kaum trauen mochte. »ONKEL DEVON, SAG CAROLYN, SIE SOLL NICHT NACH MIR SUCHEN.«

3
    Seit nunmehr neun Jahren fuhr Aaron Klein jedes Jahr die lange Strecke von Manhattan zum Friedhof von Bridgehampton, um einen Stein auf das Grab seiner Mutter Esther Klein zu legen. Sie war eine vierundfünfzigjährige geschiedene und lebenslustige Frau gewesen, die eines Morgens auf ihrer täglichen Joggingrunde in der Nähe der Kathedrale St. John the Divine das Opfer eines Raubmörders geworden war.
    Aaron war damals achtundzwanzig und frisch verheiratet gewesen, und seine Karriere bei der Wallace and Madison Investment Bank hatte hoffnungsvoll begonnen. Mittlerweile war er Vater zweier Söhne, Eli und Gabriel, und einer kleinen Tochter, Danielle, die eine erschütternde Ähnlichkeit mit ihrer verstorbenen Großmutter hatte. Jedes Mal, wenn Aaron ihr Grab aufsuchte, wurden wieder Wut und Frustration darüber wach, dass der Mörder seiner Mutter immer noch als freier Mann herumlief.
    Jemand hatte ihr mit einem schweren Gegenstand einen Schlag auf den Hinterkopf versetzt. Ihr Handy wurde neben ihr auf dem Boden gefunden. Hatte sie die Gefahr gespürt und es aus der Tasche genommen, um den Notruf zu verständigen? Diese Möglichkeit war
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