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Warme Welten und Andere

Warme Welten und Andere

Titel: Warme Welten und Andere
Autoren: James Jr. Tiptree
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blieb und er ständig durch mich hindurchsah. Maggie und ich wußten beide, daß etwas nicht stimmte, aber ich hoffte, die Zeit würde das richten, und sie hat das wohl auch gehofft. Zeit! – Ha! – Noch einen Wodka?
    Zwei Jahre später kam ich zurück. Ein Brief von Maggie wartete auf mich. Auch ein offizielles Signal von Bruno, der jetzt Chef von irgendwas war, mit einem neuen, großen Labor. Dort ging ich zuerst hin.
    »Diesmal keine Untersuchungen, Captain.« Koboldhaft blinzelte er zu mir herauf. »Wir möchten Ihre Dienste für eine Reise nach Shodar in Anspruch nehmen. Für mich und meinen Stab nur die Hinfahrt. Und für Mrs. Mitchell hin und zurück. Leider muß ich sagen, wir glauben jetzt zu wissen, was mit ihrem Freund los ist.«
    »Es geht ihm schlechter?«
    »Ja. Oh, er ist vollkommen gesund. Aber sein spezieller Zustand schreitet fort.«
    »Wollen Sie mir nicht sagen, was los ist? Wo ist er?«
    »Er ist hier. Beide sind hier. Sie werden ihn gleich sehen. Um es Ihnen zu erklären… Sie haben mich auf die Spur gebracht, Captain, mit dem Wort ›ausrutschen‹. Dieses Wort, und die Eingeborenen, die in den Himmel schauten.«
    »Ausgerutscht .?«
    »Wenn ein Ding ausrutscht, dann wegen eines Mangels an Haftung, die es mit irgendeinem Boden verbindet. Irgendwie haben die Shodars einen Teil der Haftung Ihres Freundes entfernt. Nicht die Haftung, an die Sie denken – Haftung im Raum. Nein. Sie veränderten seine Haftung in der Zeit. Offenbar haben Sie die Fähigkeit, das innere Zeitmaß eines Organismus zu verändern, ihn aus seiner Einbettung in den allgemeinen Zeitfortgang herauszulösen. Die Abweichung ist vielleicht zunächst nur winzig. Ohne die volle Haftung rutscht er. Fällt weiter und weiter zurück, zeitlich.«
    »Aber Mitch – er ist hier, nicht wahr?«
    »Hier, jawohl, aber zeitlich zurück. Das Ereignis, das für Sie und für mich jetzt stattfindet, findet für Mr. Mitchell später statt. Und die Lücke wird immer größer.«
    »Wie groß ist der Abstand jetzt?«
    »Ich schätze, daß er jetzt etwas mehr als zwanzig Stunden beträgt. Die Form der Kurve kennen wir noch nicht; man kann nur hoffen, daß sie linear ist. Aber der springende Punkt, Captain, ist der, daß Gefahr droht. Die Kreuzung von Ereignissen in der normalen Zeit mit seinem Zeitfaden kann physisch gefährlich sein. Deshalb habe ich sie damals vor schneller Bewegung, vor schnellen Veränderungen gewarnt. Der Mann, den Sie vor sich haben, ist in gewissem Sinne nicht da… Und doch ist er da. Nur, wenn man genau die Stellungen errät, die er einnehmen wird, kann man ihn überhaupt erreichen. Man muß sehr einfühlsam sein. Keine Veränderungen. Wir haben ein spezielles statisches Environment für ihn geschaffen.«
    Aber das Wesentliche war natürlich nicht die Gefahr.
    Ich sah das Wesentliche, als sie mich zu Mitch führten. Derselbe alte Mitch, mit einem neuen, abgezehrten Gesicht. Er las gerade einen handgeschriebenen Brief.
    Bruno hielt mich zurück. Ich folgte seinem Blick und sah Maggie, die wie eine Statue in einer Ecke saß.
    Mitch sah uns mit keinem Blick. Er las den Brief zu Ende, knitterte ihn zusammen, ging zu Maggie hinüber und packte sie bei der Schulter. Sie blickte zu ihm auf. Lächelnd, so könnte man es wohl nennen.
    Eine Minute lang geschah nichts, und dann brach es rasch aus ihm heraus. »Das hat keinen Sinn, ich muß mit dir reden! Maggie – Maggie – verlaß mich nicht! Wo bist du? Maggie?«
    Er rüttelte ihre Schulter, zerrte an ihr. Sie versuchte aufzustehen, sich in seine Arme zu legen, aber er fuhr fort, sie zu rütteln. Einer seiner Arme schien beinahe durch ihren Kopf hindurchzugleiten. Dann wurde er still, als lausche er. Und alsbald seufzte er und ging von ihr weg, und sie saß weiter bleiern in ihrem Stuhl, ihn anschauend. Dann nahm sie ein Stück Papier und schrieb etwas auf, während wir uns zurückzogen.
    »Vor genau zwanzig Stunden und – warten Sie, sieben Minuten und dreißig Sekunden versuchte Mrs. Mitchell, ihren Anteil an dieser Szene vorwegzuspielen. Aber wie Sie sehen konnten, hat sie seine Bewegungen nicht ganz genau erraten… Sie versucht es unermüdlich. Ihre Ausdauer ist wirklich erstaunlich. Mit den Briefen versucht sie, es ihm zuerst zu erklären. Sie begreifen, er hat sie nicht so wahrgenommen, wie sie eben war, er nahm sie wahr, wie sie vor zwanzig Stunden war… Eine ungewöhnliche Frau. Sie hat uns sehr geholfen.«
    Der wissenschaftliche Geist. Nicht, daß sie alle so wären.
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