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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Autoren: Theodor Fontane
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mit
    landschaftlichen Beschreibungen und Genreszenen
    füllt, in denen abwechselnd Kutscher und Kossäten
    und dann wieder Krüger und Küster das große Wort
    führen, der hat wohl genugsam angedeutet, daß er
    freiwillig darauf verzichtet, unter die Würdenträger
    und Großcordons historischer Wissenschaft einge-

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    reiht zu werden. Ich habe »mein Stolz und Ehr«, und
    zwar mit vollem Bewußtsein, auf etwas anderes ge-
    setzt, aufs bloße Plaudernkönnen, und erkläre mich
    auch heute noch für vollkommen zufriedengestellt,
    wenn mir dies als ein Erreichtes und Gelungenes zugestanden werden sollte. Freilich bleibt daneben be-
    stehen, daß in ebendiesen Kapiteln, und zwar unter
    Zutun und Hülfe meiner über die halbe Provinz hin
    zerstreuten Mitarbeiter , auch ein bestimmtes Quantum historischen Stoffes niedergelegt worden ist, das
    eben nur hier existiert1) und an dem mißachtend vo-rübergehen zu wollen ein Fehler wäre, den, so mein
    ich, niemand aus freien Stücken begehen wird, nie-
    mand, dem neben dem exakten Contour auch das
    Kolorit in der Kunst etwas bedeutet.
    Ich erwähnte meiner Mitarbeiter und möchte der
    hauptsächlichsten derselben etwas eingehender ge-
    denken dürfen.
    Da sind vorerst die märkischen alten Familien: der
    Land - und Landesadel aus den Tagen der Putlitz, Quitzow und Rochow her. Die Gefühle für sie sind im
    Laufe von vierhundert Jahren ziemlich unverändert
    geblieben, ziemlich unverändert wie sie selbst. Und
    aus gleicher Ursach die gleiche Wirkung. Wirklich, es
    lebt in unserm Adel nach wie vor ein naives Über-
    zeugtsein von seiner Herrscherfähigkeit und Herr-
    scherberechtigung fort, ein Überzeugtsein, das, zum
    Schaden ebensowohl des Ganzen wie der einzelnen
    Teile, noch auf lange hin das Zustandekommen einer
    auf Prinzipien und nicht bloß auf Vorurteil und Inte-
    resse basierten Tory-Partei verhindern muß. Eine

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    solche bedarf eben durchaus des dritten Standes. Es wird aber nur wenige bürgerliche »Honoratiores«
    geben, die nicht – auch bei konservativster Schulung
    und Naturanlage – durch den Pseudokonservatismus
    unsres Adels, der schließlich nichts will als sich selbst und das, was ihm dient, in peinlichste Verlegenheit
    und hellste Verzweiflung gebracht worden wären.
    Immer wieder bricht es durch, erweist eben noch
    gehegte Hoffnungen als ebenso viele Täuschungen
    und macht ein herzliches Zusammengehn auf die
    Dauer unmöglich.
    Indessen, es gilt politisches und gesellschaftliches
    Auftreten zu scheiden, und was seinerzeit vom Eng-
    länder galt und eigentlich immer noch gilt: »in der
    Fremde bedrückend, aber zu Haus entzückend«, e-
    bendasselbe geflügelte Wort ist auch anwendbar auf
    unsren Adel. Und weshalb? Einfach deshalb, weil er
    sich daheim, an seinem eignen Herd, in sein volles
    Gegenteil zu verkehren und aus der Starrheit seines
    non possumus in ein alle Welt sympathisch berüh-
    rendes laisser passer überzulenken weiß. Er ist eben
    über Nacht ein andrer geworden. Nicht mehr in die
    Defensive gestellt, nicht mehr ein kreis- oder reichs-
    täglich Belagerter, der sich, in strikter Befolgung
    alter Taktik, am besten durch Ausfälle zu schützen
    glaubt, entäußert er sich einer ihm schließlich selbst
    unbequem werdenden Stachelrüstung und kleidet
    sich in das Selbstgespinst seiner vorvorderlichen Tu-
    genden. Und diese Tugenden heißen: ein gut Teil
    Gutmütigkeit, ein noch größeres von gesundem Men-
    schenverstand und ein allergrößtes von Kritik. Und
    diese Kritik ist das Beste. Mit einem seiner Zuhörer-

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    schaft sich alsbald mitteilenden Behagen beginnt er
    plötzlich alles unter die Loupe seiner ihm angebornen
    Skepsis zu nehmen und dabei Radikalismen laut
    werden zu lassen, Urteile von einer Fortgeschritten-
    heit, als flösse nicht die Nieplitz oder die Notte, sondern mindestens der Hudson oder Potomac an sei-
    nem alten Feldsteinturm vorüber. All das freilich nur
    als jeu d'esprit ohne die geringste Neigung, sich an-
    derntags in allernüchternster Morgenfrühe daran
    erinnern oder wohl gar beim Worte nehmen zu las-
    sen, aber auch als bloßes Spiel schon erweist es sich als bemerkenswert und verrät uns zur Genüge, daß
    etwas Helles und Gewitztes, etwas Esprit-fort-haftes
    in ihm steckt und daß die Wurzel jener Selbstsucht , die so vorzugsweis an ihm mißfällt, in allem möglichen, nur nicht in der Enge seines Geistes zu suchen
    ist. Er ist vielmehr umgekehrt von einem scharfen
    und eindringenden, ja,
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