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Wanderer im Universum

Wanderer im Universum

Titel: Wanderer im Universum
Autoren: Fritz Leiber
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golden.
    Der Wanderer war deutlich zu sehen: sein Durchmesser betrug mindestens das Vierfache des Monddurchmessers, er stand etwa ebenso weit östlich des Mondes am Himmel; seine sechzehnmal größere Oberfläche wurde durch ein breites umgekehrtes S in zwei goldene und purpurfarbene Hälften geteilt, die samtweich aussahen, obwohl ihr Rand sich deutlich gegen den schwarzen Himmel abzeichnete.
    Das alles nahm Paul im Bruchteil einer Sekunde auf, bevor er sich instinktiv zu Boden warf und den Kopf in den Händen verbarg. Er hatte den Eindruck, daß am Himmel eine flammende Bedrohung stand, die jeden Augenblick zur Erde stürzen und ihn zerschmettern konnte.
    Margo hielt Miau an sich gepreßt und kauerte ebenfalls auf der ehemaligen Tanzfläche.
    Aus Zufall fiel Pauls Blick auf das Programm, das neben ihm lag. Er las automatisch eine Zeile: »Unser bärtiger Diskussionsteilnehmer ist Ross Hunter, Professor für ...«, bevor ihm auffiel, wie leicht er beim Licht des Wanderers lesen konnte.
     
    General Spike Stevens befahl scharf: »Jimmy, verändern Sie die Einstellung, damit das Licht verschwindet, bevor die Bildröhre durchbrennt!«
    »Jawohl, Sir«, antwortete Captain James Kidley. »Aber auf welchem Bildschirm ist es? Ich sehe es auf beiden.«
    »Es ist auf beiden«, warf Oberst Willard Griswold ein. »Sehen Sie selbst, Spike. Es ist dort draußen – und so groß wie die Erde.«
    »Entschuldigen Sie, Spike«, sagte Oberst Mabel Wallingford rasch, »aber könnte es sich nicht um einen Test handeln? Sie wissen doch, daß das Hauptquartier I unsere Nachrichtenverbindungen jederzeit zu Testzwecken unterbrechen kann.«
    »Richtig«, meinte der General und griff begierig nach dem angebotenen rettenden Strohhalm, »wahrscheinlich handelt es sich nur um einen simulierten Notfall. Okay, nehmen wir also an, daß das Hauptquartier unsere Einsatzbereitschaft überprüfen will.«
     
    Paul warf einen ängstlichen Blick nach oben und stellte fest, daß der Wanderer sich nicht bewegt zu haben schien. Er richtete sich auf, half Margo beim Aufstehen und sah sich um. Die anderen hatten wie er reagiert; überall standen umgefallene Stühle, aber weder die Zuhörer noch die Diskussionsteilnehmer waren zu sehen.
    Allerdings gab es eine Ausnahme. Der Ladestock stand aufrecht und sagte mit hoher Stimme: »Kein Grund zur Panik, Leute. Seht ihr nicht, daß das nur ein Luftballon ist? Wahrscheinlich aus Japan – jedenfalls den Farben nach.«
    Unter einem Tisch hervor kam Docs laute Stimme: »Bleibt unten, ihr Idioten! Wißt ihr nicht, daß eine Atomexplosion im Raum wie eine glühende Kugel aussieht?« Dann fügte er leiser hinzu: »Haben Sie irgendwo meine Brille gesehen, Rama Joan?«
    Ann kam auf Paul und Margo zu. »Weshalb haben eigentlich alle Angst?« erkundigte sie sich fröhlich. »Das ist doch die größte Untertasse aller Zeiten.«
    Der Ladestock sprach mit der gleichen hohen Stimme weiter: »Der japanische Luftballon bewegt sich sehr langsam, Leute. Er wird dicht über uns hinwegfliegen, aber keine Angst, er fällt nicht herunter.«
    Der kleine Mann ging zu ihm hinüber, griff nach seinem Arm und schüttelte ihn heftig.
    »Wie kann ein Ballon die Sterne völlig verdecken?« fragte er laut. »Wie ist es möglich, daß er alles fast taghell erleuchtet? Was haben Sie dazu zu sagen, Charlie Fulby?«
    Der Ladestock sah sich um. Dann verdrehte er die Augen, wollte sich an einem Stuhl festhalten und sackte wortlos zusammen. Der kleine Mann schüttelte den Kopf und sagte: »Jedenfalls ist das dort oben nicht Arletta.«
    Im gleichen Augenblick tauchten Doc, der seine Brille wiedergefunden hatte, und Hunter, der Professor mit dem Bart, hinter dem Tisch auf.
    »Das war keine Atomexplosion«, verkündete Doc, »sonst hätte die Feuerkugel sich bereits weiter ausgedehnt. Außerdem wäre sie zu Anfang wesentlich heller gewesen.«
    Rama Joan war ebenfalls wieder aufgestanden. Ihr Smoking wirkte jetzt leicht zerknittert, der grüne Turban war verrutscht.
    Der Wanderer stand weiter unbeweglich am Himmel: samtweich und doch klar umrissen, unvorstellbar und doch offensichtlich. Seine beiden Hälften erinnerten an das Yin-Yang-Symbol von hell und dunkel, männlich und weiblich, gut und böse.
    Während die anderen nach oben starrten, nahm der kleine Mann ein Notizbuch aus der Jackentasche und zeichnete auf eine der freien Seiten eine saubere Skizze des neuen Himmelskörpers. Er stellte die unregelmäßig verlaufende Trennlinie durch ein
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