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Waldstadt

Waldstadt

Titel: Waldstadt
Autoren: B Leix
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Andererseits musste er sich selbst auch zubilligen, sich steigern zu können, um noch besser, noch vollkommener zu werden.
    Die Garotte jedenfalls hatte schon jetzt einen Ehrenplatz an seinem Schreibtisch. Das dünne Stahlseil mit den zwei Griffhölzern an den Enden hing aufgerollt über seiner Schreibtischlampe und oftmals, wenn er dort saß, strichen seine Finger über das Metall der verschlungenen Drähte.
    Vorgestern erst hatte er eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht. Zufällig waren die Hölzchen genau sieben Zentimeter lang. Als er sie zurechtgesägt, durchbohrt und mit dem Draht verbunden hatte, war ihm diese Länge gar nicht so aufgefallen. Reiner Zufall, so abgesägt, wie sie gut in seine Handfläche passten. In der Mitte das Loch für den Draht, den er zwischen Mittel- und Ringfinger durchlaufen ließ.
    Doch jetzt, die magische Sieben, nein, das konnte keinesfalls ein Zufall sein.
    Beim Betrachten war ihm ein Lineal in die Finger gekommen. Als er es dann an die Hölzer hielt und die Sieben ablas, war es für ihn klar. Das musste ein Zeichen sein, eine Bestätigung und nicht nur das, nein, er sah es als Ermunterung, geradezu als Aufforderung, weiter zu gehen.
    Seinen Weg, den Weg. Das war es, was er tun sollte, was ihn von den vielen anderen, von der grauen Masse abhob. Was ihn einzigartig machte.
    Schon nach dem ersten Mal hatte er sich ungeheuer befreit gefühlt. Von all der Mittelmäßigkeit, der geschäftigen Wichtigkeit, der hektischen Betriebsamkeit, die so viel Energie kostete und doch kein Ziel bot, das es anzustreben lohnte.
    Er war geschwebt, niemand von den anderen konnte ihn mehr erreichen. Er war sich sicher. Es war völlig richtig, was er tat.
    Diese Gedanken waren so stark, so mächtig, dass sie ihm immer wieder durch den Kopf gingen, auch jetzt bei seiner ziellosen Bummelfahrt durch den sommerlichen Hardtwald.
    ›Achtung Schranke!‹ Der leuchtend rote Rand des dreieckigen Verkehrsschilds brachte ihn auf eine Idee. Er könnte die Garotte, sein Werkzeug, das ihm die Macht über Leben und Tod verlieh, noch schöner machen, die Schlinge richtig veredeln.
    Spontan schlug er den Weg nach Neureut ein. In der Eisenwarenhandlung dort hatte er vor Kurzem die schwarze Farbe zum Lackieren des über die Allee gespannten Drahts gekauft.
    Dieses Mal zeigte er sich farbenfroher. Sieben kleine Lackdöschen, rot, blau, gelb, auch grün und lila wählte er aus, dazu weiß und schwarz. Diese beiden waren ihm besonders wichtig.
    Zu Hause stellte er die sieben kleinen Blechdosen in Reih und Glied auf ein Regalbrett. Er hatte sie direkt im Blick, wenn er an seinem Schreibtisch saß.
    Dann nahm er die Garotte von der Lampe, löste einen der beiden Knoten. Er zog den Draht aus den Hölzern heraus, die er dann vor sich hinlegte und nochmals ganz genau vermaß. Mit sechs dünnen Bleistiftstrichen teilte er sie in sieben exakt gleiche Abschnitte, jeder einen Zentimeter breit.
    Er griff nach dem Döschen mit der weißen Farbe, schüttelte es ausgiebig und öffnete den Deckel. Mit einem feinen Pinsel tauchte er hinein und trug den Lack ganz vorsichtig im ersten Segment auf. Ein exakter Ring entstand. Der erste Zentimeter der Griffe leuchtete in strahlendem Weiß.
    Nach dem Trocknen, am nächsten Nachmittag, nahm er gelb und lackierte den zweiten Zentimeter.
    Zufrieden betrachtete er die Ringe. Weiß und gelb. Zwei Mal hatte er es bereits geschafft, über Leben und Tod zu bestimmen.
    Sein Blick glitt über die bisher unbenutzten Farbtöpfchen. Fünf Farben waren noch übrig. Nach jedem Mal wollte er einen neuen Ring aufstreichen. Rot, grün, blau, lila und zum Schluss schwarz. Dann würde er absolut perfekt sein.
    Er war sich völlig sicher.

4
    Die Farbe Schwarz bereitete den routinierten Technikern der KTU nur geringe Schwierigkeiten. Die Fasern waren nach wenigen Stunden analysiert und die erste Einschätzung von Ludwig Willms bestätigte sich.
    Umgehend klingelte es bei Oskar Lindt: »Habt ihr schon einen Verdächtigen geschnappt? Was? Noch nicht? Also wir wären soweit. Ja, die Fasern. Fertig analysiert. Die könnten wir vergleichen. Wie ich schon gesagt habe: Jeans- und T-Shirt-Stoffe aus Baumwolle, dann die schwarzen Nylonfasern aus dem Helm, ach ja, und dann haben wir noch was Schwarzes gefunden.«
    Willms machte eine kurze Pause.
    »Jetzt spann uns doch nicht so lange auf die Folter«, antwortete Lindt genervt und doch interessiert.
    »Lackpartikel, winzige schwarze Lackspuren haben meine Mitarbeiter an
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