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Wachtmeister Studer

Wachtmeister Studer

Titel: Wachtmeister Studer
Autoren: Friedrich Glauser
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vorsichtig eine winzige Menge des Inhalts auf das Glasplättchen, ließ einen Wassertropfen darauffallen, legte ein zweites, noch viel dünneres Plättchen darauf.
    »Färben?« fragte Dr. Neuenschwander.
    Studer verneinte. Sein Kopf war feuerrot, von Zeit zu Zeit drang ein sehr unerfreuliches Krächzen aus seinem Hals, seine Augen waren richtig blutunterlaufen. Der Arzt besah sich den Wachtmeister, kam näher, setzte eine Hornbrille auf die Nase, besah sich Studer noch eingehender, griff dann schweigend nach dessen Handgelenk und sagte trocken:
    »Wenn Ihr dann fertig seid, will ich Euch noch untersuchen, Ihr gefallt mir gar nicht, Wachtmeister, aber wirklich kes bitzli.«
    Studer stieß ein heiseres Gekrächz aus, hustete – es war ein peinlicher Husten.
    »Ihr macht an einer Pleuritis herum. Ins Bett, Mann, ins Bett!«
    »Morgen!« ächzte Studer. »Morgen nachmittag, wenn Ihr wollt, Herr Doktor. Aber ich hab noch soviel zu tun… Eigentlich, das Wichtigste ist ja gemacht, und wenn das hier…«
    Studer stellte das Mikroskop zurecht, so, daß das Licht der sehr hellen Schreibtischlampe in den kleinen Spiegel fiel und beugte sich dann über das Okular.
    Seine zitternden Finger drehten an der Schraube, aber es gelang ihm nicht, die richtige Einstellung zu finden. Einmal schraubte er so lange, daß der Doktor dazwischenfuhr.
    »Ihr zerbrecht noch das Plättli!« sagte er ärgerlich.
    »Stellt Ihr ein, Doktor«, sagte Studer ergeben. »Das verfluchte Zittern!«
    »Was wollt Ihr denn so Wichtiges finden?«
    »Pulverspuren«, ächzte Studer.
    »Aaah!« sagte Dr. Neuenschwander und begann an der Schraube vorsichtig zu drehen.
    »Deutlich«, sagte er schließlich und richtete sich wieder auf. »Ich bin zwar kein Gerichtschemiker, aber ich erinnere mich von früher. Da, seht, Wachtmeister, die großen Kreise sind Fettropfen und in den Fettropfen könnt ihr die gelben Kristalle sehen. Es stimmt wohl. Ob's aber zu einem gerichtlichen Beweis langen wird?«
    »Das wird's wohl nicht brauchen«, sagte Studer mühsam. »Und verzeiht, Herr Doktor, daß ich Euch so spät noch gestört hab…«
    »Dumms Züg!« sagte Dr. Neuenschwander. »Aber Ihr müßt noch sagen, wo Ihr den Staub da«, er deutete mit dem Zeigefinger auf das Kuvert, »gefunden habt. Halt, nicht reden jetzt. Zuerst Kittel ausziehen, Hemd, dann legt Ihr Euch dort auf das Ruhebett, damit ich ein wenig hören kann, was in Eurer Brust los ist. Und dann geb' ich Euch etwas für diese Nacht.«
    Dr. Neuenschwander horchte, klopfte, klopfte, horchte. Besonders schien ihn die Stelle zu interessieren, an der Studer den stechenden Punkt spürte. Er steckte dem Wachtmeister ein Fieberthermometer in die Achselhöhle, betrachtete nach einiger Zeit kopfschüttelnd den Stand der dünnen Quecksilbersäule, sagte bedenklich: »Achtunddreißig neun!« Er prüfte noch einmal den Puls, brummte etwas, das klang wie: »Natürlich, Brissago!« und ging dann an einen Glasschrank. Während er die kleine Spritze aus einer Ampulle füllte, sagte er:
    »Also, Wachtmeister, sofort ins Bett. Ich geb Euch da ein paar ganz starke Sachen. Wenn Ihr ordentlich schwitzt die Nacht, so könnt Ihr morgen noch zu Ende machen. Aber auf Euer Risiko, verstanden? Und wenn Ihr dann mit Euerm G'stürm fertig seid, so seid Ihr reif fürs Spital. Ich würd dann an Eurer Stelle ein Auto nehmen und direkt hinfahren. Könnt noch froh sein, daß es eine trockene Brustfellentzündung ist. Aber es kann schon noch böser kommen. Und jetzt möcht ich wirklich gern wissen, warum Ihr mich so spät noch um ein Mikroskop angegangen habt. Wartet noch!« Er schüttete aus etlichen Gutteren verschiedene Flüssigkeiten in ein Glas, füllte heißes Wasser nach und ließ Studer trinken. Es schmeckte gruusig. Studer schüttelte sich. Dann bekam er noch eine Einspritzung, durfte sich wieder anziehen, wollte aufstehen.
    »Liegen bleiben!« schnauzte ihn der Arzt an.
    Und Studer blieb liegen. Die Lampe auf dem Schreibtisch hatte einen grünen Blechschirm. Dicke Bücher standen auf den Regalen an der Wand. Im Raum roch es nach Apotheke. Studer lag auf dem Rücken, die Hände hatte er im Nacken verschränkt.
    »Also?« fragte der Doktor.
    Studer atmete tief. Es war das erste Mal an diesem Tage, daß er wieder so richtig tief atmen konnte.
    »Die Pulverspuren«, sagte er, »sie waren das letzte Glied, wie es so schön in den Romanen heißt. Ich hätt' es eigentlich nicht gebraucht. Denn es war schon vorher alles klar…«
    Und er
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