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VT06 - Erstarrte Zeit

VT06 - Erstarrte Zeit

Titel: VT06 - Erstarrte Zeit
Autoren: Jo Zybell
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der Groot stand mit Astrid an einem Labortisch. Sie blickten in eine Art Terrarium, und Eusebia kam es vor, als würden sie das sehr angestrengt und noch nicht einmal eine Sekunde lang tun. Astrid strich ihr Kleid glatt. Von Knox keine Spur.
    »Könnt ihr auch nicht schlafen?« Der Doc und Astrid schüttelten die Köpfe. Eusebia ging zu ihnen. »Ist das Mittel fertig, Doc?«
    Van der Groot deutete wortlos hinter sich – auf einer verchromten Anrichte lagen dreizehn Zwanzig-Milliliter-Spritzen. In jeder schimmerte eine grünliche Flüssigkeit.
    Die Bergmannvariante des Serums!
    »Und was macht ihr hier vor dem Terrarium?« Eusebia beugte sich über den Glaskasten. Zwischen Essensresten, Moos und Pilzen krochen sieben oder acht daumendicke Würmer von ungefähr fünfzehn Zentimetern Länge. Sei waren weißlich grau und hatten schwarze Köpfe.
    »Wir erörtern gerade unsere künftige Ernährungssituation«, sagte Doc etwas gestelzt. Und Astrid lief rot an.
    »Die Viecher sehen aus wie überdimensionierte Mehlwürmer«, sagte Eusebia. »Mit so was habe ich früher meine Goldhamster gefüttert.« Sie wusste, dass Doc seit ein paar Wochen nebenher mit Würmern und Insekten experimentiert.
    »Es sind keine Mehlwürmer«, sagte van der Groot. »Sie verpuppen sich nicht zu Käfern. Sie leben in der Erde und können sich auch durch härteste Lehmschichten fressen. Und das Beste ist: Sie ernähren sich von Erde, Moos, Müll und Pilzen und verarbeiten alles zu hochwertigem Eiweiß.«
    »Du willst mir jetzt nicht erzählen, dass du uns mit diesen Mehlwürmern füttern willst, Doc!?« Eusebia verzog angewidert das Gesicht.
    »Es sind keine Mehlwürmer, wie gesagt. Und von irgendwas müssen wir schließlich leben.« Der Doc zuckte mit den Schultern. »Es kann Jahrhunderte dauern, bis wir wieder hinauf an die Erdoberfläche können…«
    »Ich bin doch kein Goldhamster!«
    Eusebia schüttelte sich voller Ekel und ging wieder zu Tür. »Dann mache ich eben eine Jahrhundert-Diät!«
    »Dann wirst du verhungern!«, rief der Doc ihr hinterher. »Schlaf noch ein wenig, morgen ist ein wichtiger Tag!«
    Eusebia verließ das Labor. Als sie sich ein paar Schritte entfernt hatte, hörte sie, wie die Labortür abgeschlossen wurde. Sie verdächtigte Doc und Astrid nicht, dass sie ungestört ihren ersten Wurm essen wollten.
    Bratengeruch drang an ihre Nase. Wie angewurzelt blieb sie stehen. Sie schnüffelte nach links und rechts. Der Geruch kam aus einem Seitengang, und der Seitengang führte zu einer Werkstatt, die Eusebia in unguter Erinnerung hatte. Sie bog ab, näherte sich lauschend und schnüffelnd der Tür. Die Hand schon an der Klinke, hörte sie die Musik. Bach. Orgelmusik.
    Sie drückte die Tür auf. Um einen niedrigen Tisch saßen auf Kisten Joshua und vier tansanische Männer; die einzigen fünf Schwarzafrikaner, die als Docs Assistenten wach geblieben waren. Verlegen sahen sie zu Eusebia auf. Vor ihnen standen Teller und Gläser und lag Besteck. Eusebia zählte zwei leere Plätze und zwei weitere Gedecke.
    »Jesus, Maria und Josef«, stöhnte Eusebia. Knox kam mit einer Bratpfanne an den Tisch, in der ein Hirn dampfte. Er legte den Finger auf die Lippen und machte Psst. Dann stellte er die ungewöhnliche Speise auf den Tisch und setzte sich auf einen der beiden freien Plätze.
    »Wessen…?« Eusebia schluckte und deutete auf das graue, dampfende Geschlinge.
    »Karl der Große«, sagte Joshua. »Knox hatte es eingefroren und hat es zu Feier des Tages aufgetaut.«
    »Für wen…?« Eusebia blickte auf den leeren Platz.
    »Für dich.« Knox stellte die Musik lauter. »Harte Zeiten stehen uns bevor, wir müssen uns stärken…«
    ***
    Chronik einer langen Nacht, 22. Juli 2013
    Objektiv verläuft alles, wie ich es mir vorgestellt habe: Meine zwölf Assistenten vertragen die Bergmannvariante hervorragend. Kein Vergleich mit der Katastrophe, die ich mit Lupo erleben musste.
    Natürlich haben sie sich verändert, das schon. Sie sind zum Beispiel wortkarger als vor der Injektion; vielleicht sollte ich auch sagen mundfauler. Aber sie können sich verständlich machen. Ihre Sprache klingt abgehackt und hart. Wenn Eusebia »Doc« sagt, klingt das nicht weich und geschmeidig, sondern hart und spröde – fast wie »Tokk«.
    Das Gleiche gilt vermutlich auch für mich, nur fällt es mir nicht auf. Schwer, sich selbst zu beurteilen.
    Unser Stoffwechsel ist natürlich stark eingeschränkt, Puls, Blutdruck, Körpertemperatur erheblich niedriger als
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