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VT01 - Eine Wunde in der Erde

VT01 - Eine Wunde in der Erde

Titel: VT01 - Eine Wunde in der Erde
Autoren: Michael M. Thurner
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sorgt?«
    Die Prinzessin sah ihm starr ins Gesicht, während draußen weiterhin hektisch beratschlagt wurde. Schon lösten sich erste Menschen aus der Menge, wollten in Eigeninitiative etwas unternehmen. Irgendetwas…
    »… und wenn wir mit Hilfe der Dampfmaschinen Wasser aus der Stadtzisterne hoch pumpen und einen künstlichen See vor den Toren Kilmalies anlegen?«, rief Nabuu soeben.
    »Dazu reichen die Wasservorräte bei weitem nicht!«, entgegnete Omoko. Er schüttelte verzweifelt den Kopf. Seine Haarmähne flog hin und her.
    »Wir könnten die Schleusen in den Bergen zur Gänze öffnen!«, schlug Dampfmeister Sambui vor, »und das angestaute Wasser über die brachliegenden Felder schwemmen.«
    Ein seltsames Grollen erschütterte den Erdboden, ließ die versammelten Menschen zusammenzucken.
    »Dafür fehlt ebenfalls die Zeit«, machte Omoko auch diesen kleinen Hoffnungsschimmer zunichte, nachdem sich die Menge wieder beruhigt hatte. »Wir könnten die Schleusen unmöglich öffnen, bevor uns die Flammen erreicht haben.«
    Schweigen.
    »Es… wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, als unsere Habseligkeiten zu packen und die Stadt zu verlassen«, sagte Fakalusa. Sie sackte zusammen, als legte sich in diesen Momenten das Gewicht der ganzen Welt auf ihren Rücken.
    »Du hörst doch, dass es hoffnungslos ist«, flüsterte Lourdes Kinga zu. Sie schob seinen Arm beiseite; er ließ es geschehen.
    »Ich packe meine Sachen fertig, und wir verschwinden so rasch wie möglich. Meine Wächter werden dafür sorgen, dass uns niemand aufhält.« Sie lächelte. Die dicke Schminkschicht war längst verschwunden. »Wenn du es möchtest, nehme ich zwei oder drei deiner Freunde mit in die Himmelsstadt. Damit du dich dort nicht einsam fühlst.«
    »Du hältst das wohl für ein großzügiges Angebot, nicht wahr?« Kinga schüttelte verächtlich den Kopf. »Nein – so läuft das nicht, kleine Prinzessin. Du wirst weitaus mehr für uns machen…«
    Der Woormreiter riss das Fenster auf, schob den Vorhang beiseite und rief so laut, dass ihn alle auf dem Platz hören musste: »Wir haben eine Chance, die Stadt zu retten!«
    Jedermann drehte sich ihm zu. Lourdes wollte beiseite rücken, sich nicht den Blicken der Kilmalier aussetzen. Kinga hielt sie eisern am Arm fest.
    »Die Lösung befindet sich vor unserer Haustür«, fuhr er fort, als er meinte, die Aufmerksamkeit der Stadtbewohner zu haben. »Wir benötigen einen Witveer, um rechtzeitig in die Berge zu gelangen. Und die Prinzessin hat mir soeben die Erlaubnis dazu erteilt. Stimmt’s, Mademoiselle?«
    Er verstärkte den Druck. Ließ sie spüren, was er für eine Antwort erwartete.
    »J… ja«, hauchte Lourdes. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und sprach schließlich weiter: »Das Weibchen steht zu eurer Verfügung.«
    Manch einer in der Menge zog erschrocken die Luft ein. Die Witveer waren heilige, wundersame Tiere. Solche, die ein Außenseiter mit seinen schmutzigen Stadtfüßen nicht besteigen durfte.
    »Ich selbst werde hinauf fliegen«, hörte sich Kinga sagen. »Gemeinsam mit den beiden Dampfmeistern.«
    Durfte er die Prinzessin denn alleine lassen? Würde sie denn nicht augenblicklich den unter Zwang erteilten Befehl widerrufen?
    Er löste seinen Griff, blickte Lourdes an. »Bitte!«, forderte er und strich ihr zärtlich übers Gesicht. So, dass es jedermann in der Stadt sehen konnte. »Mach einmal etwas in deinem Leben, ohne dir einen Gewinn oder Vorteil zu erhoffen.«
    Da waren keine Aknenarben mehr. Auch nicht die Züge der Verderbtheit, die sonst ihr Gesicht prägten. Kein Doppelkinn, kein berechnender Blick. Da war nur noch eine junge, verunsicherte Frau. Die Einzige, die ihnen in dieser Situation helfen konnte.
    »Na schön!«, presste Lourdes schließlich hervor. »Du sollst deinen Willen haben. Aber rechne nicht damit, dass ich auf deine Rückkehr warte.«
    Kinga ließ die Prinzessin los und zog sich fertig an, während sie ihre neuen Instruktionen an Chérie weitergab. Der jammerte und stöhnte, beugte sich aber schließlich den Anweisungen der de Rozier.
    »Danke«, flüsterte Kinga und hauchte ihr einen sanften Kuss auf die Wange. »Das werde ich dir niemals vergessen.«
    »Ich weiß«, murmelte Lourdes. »Denn ich werde dafür sorgen, dass du dich für immer an deine Worte erinnerst.«
    ***
    Nabuu ließ sich die Chance nicht entgehen, Kinga, Sambui und Lokosso zu begleiten. Gemeinsam zwängten sie sich in den kleinen Unterstand, in dem auch der kleingewachsene
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