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Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Titel: Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
Autoren: Gear & Gear
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Legenden weiterleben, indem sie sich glorreiche Helden ausdenken, wo es nur verängstigte Männer und Frauen gegeben hatte, oder sie besingen ruhmreiche Kriege, wo es nur schlicht um Mord gegangen war. Aber das hat alles seinen Grund, mein liebes Kind. Du kannst mich ruhig den größten Lügner nennen, aber bedenke bitte, dass jede Betrachtung davon abhängt, auf welcher Wolke derjenige gerade sitzt, der darüber spricht. Der Tod von Teichläufer hatte so ungeheuerliche Folgen, als hätte ein Krieg stattgefunden, und deshalb …
    Nein, mein Kind, das darfst du nicht zulassen. Hast du gemerkt, dass ich dir fast das Ende der Geschichte erzählt hätte, bevor ich sie überhaupt angefangen habe? Das Alter ist so ein Fluch; die Erinnerungen sausen herum wie Bruder Wirbelwind. Wenn du merkst, dass ich abschweife, dann schrei - sonst hörst du die Geschichte nie richtig zu Ende. Aber du musst schon laut schreien, liebes Mädchen, sonst hören dich meine Ohren nicht. Aber weißt du was? Winke mit der Hand, wenn du schreist. So müsste es gehen …
    Also … warum habe ich dich bloß mit meinem Geschwätz über Geschichtenerzähler gelangweilt?
    Vielleicht, um dich zu warnen. Ich weiß nämlich selber nicht mehr genau, was von meinen Erinnerungen über Teichläufer wirklich wahr ist - wenn überhaupt irgendetwas davon wahr ist. Aber Mutter Sonne ist mein Zeuge, dass ich das meiste davon erlebt habe. Aber … na ja, selbst wenn es nicht stimmt: Teichläufer hatte jedenfalls das sanftmütigste, versöhnlichste Wesen, das ich je kennen lernen durfte. Ich glaube nicht, dass er meiner Darstellung widersprechen würde. Ich weiß noch, einmal, kurz bevor der Blitzvogel sein Junges ausgebrütet hatte, war Teichläufer zum Heiligen Teich gegangen…
    Das ist sehr unartig, mein Kind - warum wedelst du so mit deiner Hand herum? … Ach so, ja, richtig.
    Also. Mal sehen. Ich muss mich hier erst an diesen kalten Boden gewöhnen. Wirf doch bitte noch etwas Holz aufs Feuer. Ich werde mich an den alten Eichenstumpf lehnen und die Leuchtleute da oben im dunklen Himmel bitten, mein Gedächtnis aufzufrischen.
    Die Geschichte fängt tatsächlich lange vor Teichläufers Verwandlung an. Viele Monde früher. Da waren Räuber in die Wälder eingedrungen, hatten viele getötet und Frauen und Kinder geraubt.
    Niemand fühlte sich mehr sicher. Muschelweiß, die große Kriegerin, hatte einen Spähtrupp von Windeck-Dorf ausgeschickt, um die Grenzen ihres Clans zu sichern. Und da fing der Ärger erst richtig an …

Kupferkopf konnte den Blick nicht von der jungen Kriegerin abwenden, die auf dem Bauch vor ihm lag. Lange Haarsträhnen, auffallend schwarz gegen den weißen Sand, umrahmten ihr schönes Gesicht.
    Ihr kurzes heufarbenes Gewand war aus feinsten Palmenfasern gewoben und mit grünen Abbildungen von Rotluchs, Walfisch und Delphin versehen. Die Zeit, die vergeht, wenn die Sonne vom linken Rand einer feststehenden Hand zur rechten Kante gewandert ist, nannte man eine Zeithand, und in der letzten halben Zeithand war so viel Blut aus ihr herausgeronnen, dass es schon eine rote und schimmernde Pfütze an ihrer Seite bildete. Seine Männer gingen zwischen den Toten umher, und der bernsteinfarbene Schein ihrer Fackeln spiegelte sich in dieser Pfütze wie Blitze.
    Kupferkopf zwang sich zu einem flachen Atemzug. Jeden nächtlichen Geruch nahm er ungeheuer deutlich wahr, als wäre er ihm durch die Poren gedrungen und durch seine Adern befördert worden wie der Duft einer machtvollen Geistpflanze. Die Würze der Küstenkiefern vermischte sich mit der salzigen Ausdünstung von Fisch und Meer und dem starken Geruch der Erde, nachdem der Regensturm die Welt kurz vor dem Kampf rein gewaschen hatte.
    Sein Speer hatte ihren Rücken unterhalb der Schulterblätter durchbohrt; sie war gefallen und hatte schwach versucht, wegzukriechen. Als sie nicht weiterkonnte, hatte sie die zitternden Arme und Beine krampfhaft steif gemacht und sich aufrecht gehalten, damit sie sich umdrehen konnte, um ihm herausfordernd in die Augen zu sehen.
    Der Anblick dieses Gesichts hatte ihn getroffen wie ein Schlag in den Magen.
    Heilige Sonnenmutter, wie oft hatte er in seinen Träumen schon in diese Augen gesehen und dieses Gesicht zärtlich berührt?
    Er ballte die Fäuste, um sich zusammenzunehmen, und kniete sich neben die junge Frau. Riesige formlose Schatten tanzten durch die Bäume, als einige seiner Krieger kurz ihre Fackeln hoben, um neugierig nach ihm zu sehen.
    Er hatte nur
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