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Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde

Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde

Titel: Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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hoch wie ein bockendes Antilopenkitz und watete in das träge fließende Wasser. Sie hämmerte auf ihn ein und fuchtelte wild mit den Armen, doch es nutzte nichts. Er preßte sie fest an sich und glitt mit der Strömung den Fluß hinunter.
    »Still«, flüsterte er mit beruhigender Stimme. »Ich tue dir nichts. Ich bringe dich nach Norden, in ein neues Zuhause, zu Menschen, die dich liebhaben.«
    Sie wehrte sich, erstickte Laute drangen aus ihrer Kehle. Entsetzen und Verzweiflung schienen ihrem kleinen Körper ungeheure Kraft zu verleihen. Sie warf sich nach hinten, wand sich und versuchte vergeblich, sich zu befreien.
    »Ruhig, ganz ruhig. Du kommst nicht los nicht von Salbeigeist. Du bist mir versprochen worden. Du wirst eine große Geisterfrau des Weißlehm-Stammes werden eine Seelenfliegerin. Das weiß ich. Ein Mann aus Feuer kam vom Himmel herab und sagte es mir.«
    Sie entspannte sich ein wenig; keuchend schlug ihr Atem gegen seine Hand.
    Erschrocken zuckte Salbeigeist zusammen, als das langgezogene Heulen eines Wolfes wie eine Prophezeiung an sein Ohr drang.

KAPITEL 1
    Es war ein furchtbarer Winter. Weiße Esche beugte sich vor, ihr Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, als sie ihre verspannten Rückenmuskeln dehnte. Sie spähte über das Feuer hinweg auf den Deckenberg, unter dem Leuchtender Mond lag. Ein Luftzug schürte die dicke Schicht rotglühender Kohlen, die ein rubinrotes Licht auf die Innenseite der Zeltwände warfen. Sie sah Leuchtender Monds Gesicht; ihre Mutter schlief endlich.
    Meine Mutter? Seltsam. Ich kann mich kaum an die Zeit im Dreigabelungenlager erinnern, aus dem mich Salbeigeist geraubt hat. Inzwischen gehöre ich hierher, ich bin eine Angehörige des Weißlehm-Stammes. Eulenklee hat mich geboren aber Leuchtender Mond hat mich mehr geliebt. Nervös fuhr sich Weiße Esche mit der Hand über das Gesicht und blickte zu der alten Frau hinüber, die in einen unruhigen Schlaf gefallen war. Und alles, was ich für sie tun kann, ist dasitzen und zusehen, wie sie stirbt.
    »Ich danke dir für alles, Leuchtender Mond«, flüsterte sie mit weicher, bekümmerter Stimme. Wenn doch nur Salbeigeist nicht mit den anderen fortgegangen wäre, um Wild aufzuspüren. Leuchtender Mond würde sterben, bevor ihr Mann zurückkehrte.
    Seit acht Wintern lebte Weiße Esche nun schon beim Weißlehm-Stamm. Die ersten sechs Jahre waren wunderschön gewesen. Als heranwachsendes Mädchen hatte sie die Bräuche und die Sprache des Sonnenvolkes rasch gelernt. Vor Jahren war das Weißlehm-Volk vom Bug River aus nach Süden den weiten Weg zum Fat Beaver River gezogen, um sich vor den ständigen Überfällen im Norden in Sicherheit zu bringen. In der Erinnerung an die sorglosen Tage mit herrlichem Sonnenschein im Sommer und an die gemütlichen, warmen Zelte im Winter, lächelte sie. Und stets hatte sie das vor Liebe zu ihr strahlende Gesicht von Leuchtender Mond gesehen. Sie hatte mit Windläufer, Tapferer Mann und den anderen Kindern gespielt.
    Weiße Esche schüttelte den Kopf. Ein bittersüßes Lächeln umspielte ihren Mund. Vor drei Jahren hatte alles angefangen, sich zu verändern. Gerüchten zufolge wandten sich die anderen Stämme auf der Suche nach neuem Lebensraum ebenfalls dem Süden zu. Die Weißlehm-Krieger stolzierten großspurig zwischen den Zelten umher und prahlten, wie sie zurückschlagen würden, falls die anderen Stämme angriffen.
    Der Schwarzspitzen-Stamm überfiel das Lager am Fat Beaver River. Verwirrt von dem unvermuteten Angriff, floh das Weißlehm-Volk. Seitdem löste sich der Stamm auf. Er teilte sich in drei Gruppen. Niederlage um Niederlage zerstörte die letzten noch zwischen ihnen bestehenden Verbindungen. Die Kriege brachten Tod und Entbehrung mit sich. Hunger spiegelte sich in den ausgezehrten Gesichtern der Kinder und Alten. Die Kälte schien stetig schlimmer zu werden und schlug mit eisigen Krallen in ihre Körper.
    Mit dem Geist des Sommers war die Hoffnung von ihnen gegangen. Hoffnung? Worauf kann ich hoffen? Womit habe ich dieses Los verdient? Welche Hoffnung gibt es für Weiße Esche? Sie schloß die Augen und schüttelte den Kopf. Angestrengt versuchte sie, die Bilder der Träume abzuschütteln und sich an die Gespräche mit Windläufer und Tapferer Mann über eine hoffnungsvolle Zukunft zu erinnern. Damals leuchtete die Sonne heller. Die Trockengestelle für das Fleisch bogen sich unter dem Gewicht der üppigen roten Stücke. Der Weißlehm-Stamm war noch eine mächtige Einheit
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