Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Titel: Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes
Autoren: Gear & Gear
Vom Netzwerk:
sie. Sie hielt der Mutter den Sack mit der Kindesleiche hin, aber Lachender Sonnenschein schüttelte entsetzt den Kopf.
    Tanzende Füchsin barg das Baby in der Beuge ihres linken Armes und streckte die rechte Hand aus, um tröstend Sonnenscheins Schulter zu berühren. »Hör auf damit«, befahl sie liebevoll. »Du vergeudest nur sinnlos deine Energie. Du brauchst Kraft zum Weiterleben.«
    »Vielleicht will ich gar nicht weiterleben«, jammerte Sonnenschein und schlug die Hände vor ihr blutbesudeltes Gesicht. »Alle meine Kinder sind während der Langen Finsternis gestorben. Ich …«
    »Sei still! Selbstverständlich willst du leben. Du kannst noch mehr Babys bekommen. Du bist noch nicht zu alt.«
    »Hat denn niemand mehr einen Großen Traum?« Sonnenschein schluchzte hysterisch und hämmerte rhythmisch mit den Fäusten auf den Boden. Die dumpfen Schläge fanden im Herzen von Füchsin ein bitteres Echo. »Was geschieht nur mit uns? Was tun wir hier? Warum verhungern wir? Hat Sonnenvater uns den Geistern der Langen Finsternis preisgegeben?«
    »Vielleicht«, antwortete Tanzende Füchsin mit scharfer Stimme. »Aber ich habe vor, weiterzuleben, und sei es nur aus Bosheit gegen Ihn. Und du wirst an meiner Seite sein. Nun quäle dich nicht länger.
    Wir müssen unsere Pflichten erfüllen.«
    Sonnenschein wischte sich über die feuchten Augen. »Ist dein Herz ebenso leer wie dein Magen, Füchsin? Was hat Krähenrufer dir angetan?«
    »Angetan?« wiederholte sie nachdenklich. Schon bei der bloßen Erwähnung des Namens ihres Mannes zersprang ihr fast das Herz vor Kummer. Finster blickte sie zu Boden. »Er hat mich stärker gemacht.«
    »Du meinst weniger menschlich. Du warst stets so freundlich und …«
    »Freundlichkeit ist für die Lebenden«, sagte sie und hob schwungvoll die Felltüre hoch. Sofort drang grimmige Kälte ein, und der Wind griff nach ihren Pelzkapuzen. »Die Toten brauchen keine Freundlichkeit mehr.«
    Erstaunt sah Sonnenschein sie an. »Der Geist meines kleinen Mädchens hört dich immer noch.«
    »Es gibt keine Geister.«
    »Du … natürlich gibt es sie. Was glaubst du denn, wer …«
    Heftig schüttelte Füchsin den Kopf. »Nein, es gibt keine. Vor zwei Monden habe ich zu Sonnenvater und den Monsterkindern gebetet…«
    »Nach der Heirat mit Krähenrufer?«
    Tanzende Füchsin ließ das Fell wieder vor die Türöffnung fallen und nickte. »Auf kein einziges Gebet erhielt ich eine Antwort.«
    Sonnenschein zwinkerte die Tränen fort und schluckte den Kloß im Hals hinunter. »Vielleicht ist Krähenrufer zu mächtig, und sie können dich deswegen nicht hören.«
    »Vielleicht.«
    »Aber das hieße doch, daß es sie gibt«, sagte sie flehentlich. »Und dann kann mein kleines Mädchen uns hören.«
    »Ja, natürlich.« Tanzende Füchsin nickte. Dunkle Röte überzog ihre Wangen. Sie schämte sich ihrer mangelnden Empfindsamkeit gegenüber dem Schmerz der Mutter. Vorsichtig nahm sie den Sack mit dem toten Kind und streichelte behutsam über den im Leder verborgenen Kopf. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, die letzte Hoffnung der Freundin zu zerstören? »Ich meinte es nicht so, Sonnenschein.
    Natürlich hört sie uns.«
    Sonnenschein lächelte getröstet und tätschelte begütigend Füchsins Arm. »Ich weiß, du hast es nicht so gemeint. Du bist nur hungrig und müde, wie wir alle.«
    Liebevoll lächelten sie einander an, dann krochen sie hintereinander unter der Felltüre hindurch in das trübe graue Licht hinaus. Mit vor Schwäche zitternden Beinen erhob sich Tanzende Füchsin. Erschöpft half sie Lachender Sonnenschein auf.
    Nicht weit von ihnen entfernt stand Krähenrufer. Bei ihrem Anblick verzog sich sein runzliges Gesicht vor Ärger. Auf der einen Seite seiner Hakennase funkelte ein tiefschwarzes Auge das andere stierte weiß, blind und leblos ins Nichts. Sein schmallippiger Mund verriet Mangel an Humor. In ihm regte sich keine Empfindung, noch nicht einmal für die Toten.
    Er hob die Hände und begann mit seiner brüchigen Altmännerstimme zu singen. Die Tonleiter auf und abschwankend, beschwor er das Heilige Volk der Sterne, das Baby aufzunehmen, auch wenn es noch keinen Namen besaß.
    Sie hatten dem Kind noch keinen Namen gegeben, denn ein Baby mußte fünfmal eine Lange Finsternis überstehen, um sich als lebensfähig zu erweisen. Bis dahin stand ein Kleinkind auf einer Stufe mit einem Tier. Als menschliches Wesen wurde es erst akzeptiert, wenn es denken und sprechen konnte. Das geschah, wenn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher