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Vorsicht Nachsicht (German Edition)

Vorsicht Nachsicht (German Edition)

Titel: Vorsicht Nachsicht (German Edition)
Autoren: A. C. Lelis
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eilig.
    »Max, guten Morgen, mein Lieber.« Die Stimme legt ihre förmliche Höflichkeit ab. Jetzt ist sie einfach nur noch freundlich und warm.
    »Morgen«, antworte ich knapp. »Du, meine U-Bahn hat Verspätung, würdest du bitte die Unterlagen für den Termin um halb zehn in den großen Konferenzraum bringen? Sie liegen auf  meinem Schreibtisch. Es ist schon alles fertig gemacht… blaue Plastikmappen, sieben Stück…«
    »Alles klar«, unterbricht sie mich. Ich weiß, dass sie gerade belustigt lächelt. »Ich kümmere mich darum.«
    »Danke.« Ich seufze erleichtert. »Für Getränke ist gesorgt?«
    »Selbstverständlich.«
    »Und Beamer und Laptop stehen auch bereit?«
    »Natürlich.«
    »Gut… und…«
    »Max, mach dir keine Gedanken«; unterbricht sie mich freundlich. »Wir haben alles im Griff.«
    »Ich weiß. Tut mir leid.« Ich habe ein schlechtes Gewissen.
    Hilda macht ihren Job seit über fünfundzwanzig Jahren – und sie macht ihn verdammt gut.
    »Ich will nur, dass alles klappt… der Auftrag ist so wichtig…«, erkläre ich ihr und komme mir dabei noch viel dümmer vor. Natürlich ist ihr klar, wie wichtig dieser Kunde ist…
    »Schon gut, Max«, beruhigt sie mich freundlich.
    »Also…« Verlegen beiße ich mir auf die Unterlippe.
    »Bis gleich«, sagt sie.
    »Ja, hoffentlich.«
    Dann lege ich auf.
    Hilda ist eine fantastische Mitarbeiterin. Sie kennt die Abläufe innerhalb der Firma so gut wie keine andere. Sie ist über alles informiert und hat für jedes Problem die passende Lösung. Die Bezeichnung gute Seele des Unternehmens hat sie mehr als nur verdient – sie verkörpert sie voll und ganz.
    Mein kleiner, hysterischer Anfall war also total unangebracht.
    Ich beiße mir fest auf die Unterlippe und senke den Blick. Meine Lippe schmerzt. Ich werde sofort ein bisschen ruhiger. Diese abgeschwächte Art von Masochismus hilft mir immer wieder, die Wut auf mich selbst in den Griff zu bekommen. Und ich muss gestehen: Ich bin oft wütend auf mich selbst. Es gibt einfach zu viele Dinge an mir, die nicht so sind, wie ich sie gerne hätte.
    Am schlimmsten sind meine Nerven. Sie geraten viel zu leicht durcheinander, lassen sich reizen und stressen.
    Lautlos schnaubend zupfe ich an meinem Hemd herum. Ich recke das Kinn in die Höhe und streiche mir ein paar Haarsträhnen aus der Stirn.
    Selbstbeherrschung.
    Innere Ruhe.
    Eine junge Frau, keine zwei Meter von mir entfernt, mustert mich schüchtern. Ich schenke ihr einen kühlen Blick, sie zuckt ertappt zusammen, wird rot und schaut schnell woanders hin.
    Ja, diese Wirkung habe ich auf viele Menschen.
    Man nennt mich kalt. Man nennt mich arrogant.
    Im Studium war ich als Einzelkämpfer bekannt, als Egoist, der seine Sachen am liebsten selbst macht. Man wunderte sich über mich, schließlich war es ja nicht normal, dass einem Einundzwanzigjährigen seine Prüfungen und Noten wichtiger waren als eine gute Party. Aber so bin ich eben.
    Es fällt mir nicht leicht, mit Fremden ein Gespräch zu beginnen.
    Was hat man einem Menschen, den man nicht kennt, denn schon groß zu erzählen?
    Das Wetter und Kartoffelchips haben nie zu meinen Lieblingsthemen gehört.
    Erst in den letzten Jahren habe ich gelernt, wie man bedeutungslosen Smalltalk führt. In meinem Beruf ist diese Fähigkeit nun mal essentiell .
    Trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass es eine erbärmliche Sache ist sie dazu zu nutzen, in überfüllten, schlecht belüfteten Räumen rumzugammeln, nach möglichen Sexualpartnern Ausschau zu halten und dabei einem Wildfremden einen Vortrag über den letzten Griechenlandurlaub zu halten.
    Die junge Frau an meiner Seite schaut nun nicht mehr in meine Richtung. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Kurz überlege ich, ob ich ihr zulächeln oder gar ein paar freundliche Worte sagen soll… dann lass' ich es doch sein.
    Die U-Bahn hat mittlerweile zehn Minuten Verspätung.
    Die Leute murren nun immer lauter. Man brabbelt wütend vor sich hin und lässt die angestaute Wut und Frustration auf eine fiktive Person, die man Immer-diese-Bahn nennt, heraus.
    Ich schaue noch zweimal auf die Uhr, zupfe erneut an meinem Hemd herum und spiele unruhig mit dem Schirm in meiner Hand. Mehr kann ich nicht tun. Für ausschweifende Hasstiraden und peinliche Selbstgespräche fehlt mir der Sinn.
    Dann erscheinen endlich zwei runde, gelbe Lichter im Dunkeln des Tunnels. Sie kommen näher. Ratternd rauscht die gelbe U-Bahn heran.
    Ein allgemeines Aufatmen wandert den Bahnsteig
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