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Vorkosigan 13 Komarr

Vorkosigan 13 Komarr

Titel: Vorkosigan 13 Komarr
Autoren: Lois McMaster Bujold
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hatte, und das mit allem guten Willen. Du hast es nicht gewusst. Tien hat es nicht gewusst. Vorzohns Dystrophie. Niemand ist schuld daran.
    Der neunjährige Nikolai hüpfte in die Küche. »Ich habe Hunger, Mama. Kann ich ein Stück von diesem Kuchen
    haben?«
    Sie fing die schnellen Finger ab, die versuchten, von der Glasur zu probieren. »Du kannst ein Glas Fruchtsaft haben.«
    »Ooch…« Doch er nahm den angebotenen Ersatz an,
    den sie ihm listig in einem der guten Weingläser darbot, 14
    die schon aufgereiht warteten. Er stürzte das Getränk hinunter und hüpfte herum, während er trank. War er aufgeregt oder hatte er die elterliche Spannung gespürt?
    Hör mit deinen Projektionen auf, sagte sie sich. Der Junge hatte die letzten beiden Stunden in seinem Zimmer
    zugebracht und ganz vertieft an seinen Modellen
    herumgebastelt; es war an der Zeit, dass er sich mal wieder bewegte.
    »Erinnerst du dich an Onkel Vorthys?«, fragte sie ihn.
    »Vor drei Jahren haben wir ihn besucht.«
    »Aber sicher doch.« Er trank sein Glas leer. »Er hat mich in sein Labor mitgenommen. Ich dachte, da würden lauter Bechergläser und so blubbernde Dinger rumstehen, aber da waren lauter große Maschinen und Beton. Dort hat es komisch gerochen, irgendwie staubig und scharf.«
    »Von den Schweißgeräten und dem Ozon, ganz richtig«, sagte sie, beeindruckt von seinen Erinnerungen. Sie nahm das Weinglas wieder an sich. »Streck mal deine Hand aus.
    Ich möchte sehen, wie viel du noch wächst. Welpen mit großen Pfoten sollen nämlich große Hunde werden, weißt du.« Er hielt seine Hand ihrer entgegen, und sie begegneten sich, Handfläche an Handfläche. Seine Finger waren nur noch zwei Zentimeter kürzer als die ihren. »Ach, du meine Güte!«
    Er grinste sie befangen, doch befriedigt an und starrte kurz auf seine Füße, zappelte nachdenklich mit den Zehen.
    Sein rechter großer Zeh guckte durch ein neues Loch in seinem neuen Strumpf.
    Sein kinderhelles Haar wurde dunkler; es würde
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    vielleicht noch so braun werden wie das ihre. Er ging ihr schon bis zur Brust, obwohl sie hätte schwören können, dass er ihr vor fünfzehn Minuten erst bis zur Hüfte gegangen war. Seine Augen waren braun wie die seines Vaters. Seine schmuddelige Hand – wo fand er eigentlich unter dieser Kuppel so viel Schmutz? – war so ruhig, wie seine Augen klar und unschuldig waren. Kein Zittern.
    Die frühen Symptome von Vorzohns Dystrophie waren
    trügerisch, ahmten ein halbes Dutzend anderer Krankheiten nach und konnten jederzeit zuschlagen, von der Pubertät bis zum mittleren Alter. Aber nicht heute, und nicht bei Nikolai.
    Noch nicht.
    Geräusche vom Eingang der Wohnung her sowie
    gedämpfte männliche Stimmen lockten sie aus der Küche.
    Nikolai rannte voraus. Als sie hinter ihm ankam, hatte ihn der kräftige weißhaarige Mann, der den ganzen Raum
    auszufüllen schien, schon halb hochgehoben. »Uff!« Um ein Haar hätte er Nikolai herumgewirbelt. »Du bist ja mächtig gewachsen, Nikki!«
    Onkel Vorthys hatte sich nicht verändert, trotz seines Respekt gebietenden neuen Titels: dieselbe mächtige Nase, dieselben großen Ohren, derselbe zerknitterte Anzug in Übergröße, der immer so aussah, als hätte er darin geschlafen, dasselbe tiefe Lachen. Er setzte seinen Großneffen auf den Fliesen ab, widmete seiner Nichte eine Umarmung, die herzhaft erwidert wurde, bückte sich und kramte in seiner Reisetasche. »Hier ist etwas für dich, Nikki, glaube ich…«
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    Nikolai hüpfte um ihn herum; Ekaterin zog sich vorläufig zurück, bis sie an der Reihe wäre.
    Tien schob sich mit Gepäck durch die Tür. Erst jetzt bemerkte sie den Mann, der distanziert lächelnd daneben stand und diese familiäre Szene beobachtete.
    Sie verbarg ihre Überraschung. Der Mann war kaum
    größer als der neunjährige Nikolai, aber ganz unverkennbar kein Kind. Er trug auf einem kurzen Hals einen großen Kopf und hielt sich leicht gebeugt; sein restlicher Körper wirkte mager, aber stabil. Jacke und Hose waren von einem vornehmen Grau, die offene Jacke ließ ein schönes weißes Hemd sehen; dazu trug der Mann blank geputzte Halbstiefel. An seiner Kleidung fehlten die pseudomilitärischen Verzierungen völlig, welche die hohen Vor normalerweise zur Schau trugen, doch die Perfektion, mit der die Kleidung saß – sie musste maßgeschneidert sein, um an diesem seltsamen Körper gut zu sitzen –, deutete auf einen Preis hin, den Ekaterin gar nicht zu schätzen wagte.
    Hinsichtlich seines
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