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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang
Autoren: Agatha Christie
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als er – Hercule Poirot! Und es ist verhältnismäßig einfach, sich durch hohe Hacken oder Einlagen in den Schuhen größer zu machen.
    Sie hielten mich für einen hilflosen Krüppel. Und warum? Nur weil ich das behauptete. Und ich hatte George fortgeschickt. Sprechen Sie mit meinem Diener George – das war mein letzter Hinweis.
    Dann kam die Sache mit den Büchern. Othello und Clutie John gaben Ihnen zu verstehen, dass Norton X war.
    Wer konnte Norton nur getötet haben?
    Nur Hercule Poirot!
    Und sobald Sie diesen Verdacht hatten, würde alles andere plötzlich zusammengepasst haben: Meine unerklärliche Zurückhaltung, meine Worte und Taten; die Auskunft der Ärzte in Ägypten und meines Arztes in London, dass ich keineswegs gehunfähig sei. Georges Aussage, dass ich eine Perücke trüge; die Tatsache – die ich nicht verbergen konnte und die Sie hätten bemerken müssen –, dass ich viel stärker hinke als Norton.
    Und schließlich der Pistolenschuss – mein schwacher Punkt. Ich weiß, ich hätte ihm in die Schläfe schießen sollen. Doch ich konnte es nicht über mich bringen, etwas so Unsymmetrisches, Zufälliges zu tun. Nein, ich schoss ihm genau mitten in die Stirn…
    O Hastings, Hastings, das hätte Ihnen die Augen öffnen müssen.
    Aber vielleicht sind Sie doch der Wahrheit auf die Spur gekommen? Vielleicht kennen Sie sie bereits, wenn Sie diese Zeilen lesen?
    Aber irgendwie glaube ich es nicht…
    Nein, Sie sind zu vertrauensselig…
    Sie haben einen zu guten Charakter…
    Was bleibt noch zu sagen? Wie Sie wahrscheinlich feststellen werden, kannten Franklin und Judith die Wahrheit, obwohl sie es Ihnen nicht erzählt haben werden. Sie werden zusammen glücklich sein, die beiden. Sie werden arm bleiben, unzählige tropische Insekten werden sie stechen und unbekannte Fieberkrankheiten sie attackieren – aber wir haben alle unsere eigenen Vorstellungen vom Glück, nicht wahr?
    Und Sie, mein armer, einsamer Hastings? Oh, mir blutet das Herz, wenn ich an Sie denke! Wollen Sie – zum letzten Mal – einen Rat von Ihrem alten Freund Poirot annehmen?
    Wenn Sie diese Zeilen gelesen haben, nehmen Sie Zug oder Wagen oder Bus und fahren Sie zu Elizabeth Cole, die eigentlich Elizabeth Litchfield heißt. Geben Sie ihr diesen Brief zu lesen, oder erzählen Sie ihr den Inhalt! Erzählen Sie ihr, dass Sie beinahe etwas Ähnliches getan hätten wie ihre Schwester Margaret – nur dass in Margaret Litchfields Fall kein wachsamer Poirot in der Nähe war. Befreien Sie sie von ihrem Albtraum, machen Sie ihr begreiflich, dass ihr Vater nicht von seiner Tochter umgebracht wurde, sondern von jenem netten, sympathischen Freund der Familie, dem »ehrenwerten Jago« Stephen Norton.
    Denn es ist nicht richtig, mein Freund, dass eine Frau wie sie, noch jung und attraktiv, vor dem Leben flieht, weil sie glaubt, sie trüge einen Makel. Nein, das ist nicht richtig. Erklären Sie ihr das, mein Freund, Sie, der Sie für Frauen noch immer anziehend sind…
    Eh bien, ich habe nichts mehr zu sagen. Ich weiß nicht, Hastings, ob das, was ich getan habe, zu rechtfertigen ist oder nicht. Nein – ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, dass ein Mensch das Gesetz in die eigene Hand nehmen sollte…
    Aber andererseits bin ich das Gesetz! Als junger Mann im belgischen Polizeidienst schoss ich einen verzweifelten Verbrecher vom Dach, der dort oben saß und in die Menge auf der Straße feuerte. In Notfällen gilt das Standrecht.
    Indem ich Norton tötete, habe ich anderen das Leben gerettet – Unschuldigen. Dennoch, ich weiß nicht… Vielleicht ist es richtig, dass ich es nicht weiß. Ich bin immer so sicher gewesen – zu sicher…
    Aber jetzt bin ich sehr demütig und sage wie ein Kind: »Ich weiß es nicht…«
    Leben Sie wohl, c her ami! Das Amylnitrit ist nicht in Reichweite meines Bettes. Ich habe es weggetan. Ich ziehe es vor, mich ganz in die Hände des bon Dieu zu geben. Möge seine Strafe oder seine Gnade mir rasch zuteilwerden!
    Wir werden nie mehr zusammen auf die Jagd gehen, mein Freund. Unsere erste Jagd fand hier statt – und auch unsere letzte…
    Es waren schöne Zeiten.
    Ja, es waren schöne Zeiten…
     
    Schlussbemerkung von Captain Arthur Hastings: Ich habe alles gelesen… Ich kann es noch nicht fassen… Aber er hat recht! Ich hätte es wissen müssen! Ich hätte es wissen müssen, als ich das Einschussloch sah, weil es so symmetrisch mitten in der Stirn saß. Seltsam – jetzt fällt es mir ein – was ich an jenem
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