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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang
Autoren: Agatha Christie
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Ausbruch. Menschen wie sie können Mitleid oder Bedauern nicht ertragen. Es war, als hätten. Sie eine offene Wunde berührt.
    Dann entdeckte sie, dass Sie glaubten, sie sei in Allerton verliebt. Sie ließ Sie in dem Glauben, um sich vor Ihrem unbeholfenen Mitleid – und weiterem Bohren in der Wunde – zu schützen. Ihr Flirt mit Allerton war ein Akt der Verzweiflung. Sie wusste genau, was für eine Art Mann sie vor sich hatte. Er amüsierte sie und lenkte sie ab, aber sie empfand nicht das Geringste für ihn.
    Norton wusste natürlich genau über die Situation Bescheid. Er sah, welche Möglichkeiten das Franklin-Trio bot. Ich nehme an, dass er es zuerst bei Franklin versuchte, dort aber eine vollständige Niederlage erlitt. Franklin gehört zu der Sorte von Menschen, die gegen hinterhältige Beeinflussungen vollkommen immun sind. Franklin besitzt ganz klare Wertvorstellungen und kennt seine eigenen Gefühle genau – gegen Druck von außen ist er völlig unempfindlich. Außerdem ist seine Arbeit die große Leidenschaft seines Lebens. Das macht ihn weniger anfällig.
    Bei Judith hatte Norton viel mehr Erfolg. Er spielte sehr geschickt das Thema »nutzloses Leben« aus. Dies war für Judith ein Glaubensartikel – und die Tatsache, dass ihre geheimsten Wünsche damit übereinstimmten, wurde von ihr einfach ignoriert, während Norton dieser Umstand sehr zustattenkam. Er stellte es sehr schlau an – er nahm selbst den entgegengesetzten Standpunkt ein und machte sich darüber lustig, dass sie doch nie den Mut haben werde, eine so entscheidende Tat auszuführen. »Das gehört zu den Dingen, über die alle jungen Leute immer reden – die sie aber nie tun!« So ein alter, billiger Trick – und wie selten verfehlt er seine Wirkung, Hastings! So verletzlich sind sie, diese Kinder! So bereit, ein Risiko einzugehen, ohne es überhaupt als solches zu erkennen!
    Und wenn die nutzlose Barbara Franklin nicht mehr im Weg gewesen wäre, hätten Franklin und Judith freie Bahn gehabt. Doch das wurde nie ausgesprochen – das durfte niemals an die Oberfläche des Bewusstseins treten. Norton betonte immer wieder, dass der persönliche Aspekt nichts – aber auch gar nichts mit der Sache zu tun hätte. Denn sobald sich Judith dessen bewusst geworden wäre, hätte sie sehr heftig reagiert. Aber einem Mordsüchtigen in Nortons fortgeschrittenem Stadium genügt ein Eisen im Feuer nicht. Er sieht immer wieder Gelegenheiten, sich ein Vergnügen zu holen. Eine weitere solche Gelegenheit waren die Luttrells.
    Denken Sie zurück, Hastings! Erinnern Sie sich an Ihren ersten Abend, als Sie Bridge spielten. An die Äußerungen, die Norton hinterher Ihnen gegenüber tat. Er redete so laut, dass Sie Angst hatten, Colonel Luttrell könne sie hören. Natürlich! Norton wollte, dass er sie hörte. Er ließ nie eine Gelegenheit aus, jemand etwas unter die Nase zu reiben – und schließlich hatten seine Bemühungen bei Luttrell Erfolg. Es geschah vor Ihren Augen, Hastings, aber Sie haben nie etwas gemerkt! Die Fundamente, auf die Norton bauen konnte, waren ja schon vorhanden – das Gefühl, unter wachsendem Druck zu stehen, die Scham über die schlechte Figur, die er vor anderen Männern machte, der steigende Groll auf seine Frau.
    Rufen Sie sich ins Gedächtnis, was passierte! Norton sagt, er habe Durst (wusste er, dass Mrs Luttrell im Haus war und sich einmischen würde?). Der Colonel reagiert sofort als der großzügige Gastgeber, der er von Natur aus ist. Er bietet Drinks an. Er geht, um sie zu holen. Sie sitzen alle draußen vor dem Fenster. Seine Frau überrascht ihn – es kommt zu der unvermeidlichen Szene, von der er weiß, dass die Gäste sie mit anhören können: Das Ganze hätte mit ein paar geschickten Sätzen überspielt werden können – Boyd Carrington wäre der richtige Mann dafür gewesen.
    Er besitzt ein gewisses Maß an Weitläufigkeit und Takt, obwohl er andererseits einer der aufgeblasensten und langweiligsten Menschen ist, die ich je getroffen habe! Genau der Typ, den Sie bewundern! Sie selbst hätten sich ganz gut aus der Affäre gezogen, aber Norton stürzt sich in ein plumpes, albernes Gerede und strotzt vor Taktgefühl, bis es zum Himmel schreit und alles tausendmal schlimmer geworden ist. Er plappert von Bridge (was bei Luttrell die Erinnerung an weitere Demütigungen wachruft) und erzählt plötzlich von Jagdunfällen. Und wie von Norton beabsichtigt, gibt auf dieses Stichwort hin der alte Esel Boyd Carrington prompt
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