Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Titel: Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)
Autoren: Hans Joachim Schädlich
Vom Netzwerk:
Clark.
    Charles Baxter und Hammerton ließen sich nicht sehen. Behrens hielt sich wahrscheinlich bei Kapitän Koster auf. Frau Cunningham hatte sich Watte in die Ohren gestopft und sich hingelegt.
    Es war auffällig still an Deck. Als Bob und Dr.   Clark glaubten, das Kielholen müsse ein Ende gefunden haben, gingen sie nach vorn. Sie sahen den Schiffsjungen auf den Planken liegen. Matrosen banden das Tau los, das er um den Leib hatte, und die Kanonenkugeln an seinen Füßen. Der Junge sah für Bob leblos aus. Dr.   Clark sah aber, daß er atmete.
    Zwei Matrosen legten den Jungen bäuchlings über einen Holzbock. Der Junge erbrach Wasser.
    Zwei andere stellten sich zu seiten des Jungen auf. Sie hielten dünne Stöcke in der Hand und schlugen den Jungen abwechselnd auf das Gesäß.
    Bob ging weg, Dr.   Clark blieb.
    Anfangs hatte der Junge nach jedem Schlag aufgeschrien, dann war er in sich zusammengesackt.
    Bob kam nach einer langen Weile zurück. Er zählte noch elf Schläge.
    Dr.   Clark sagte: «Dreihundert hat er bekommen.»
    Zwei Matrosen hoben den Jungen vom Holzbock und legten ihn bäuchlings am Mastbaum ab. Der größere Matrose hob den Arm des Jungen an und drückte ihn gegen den Mastbaum. Der kleinere Matrose zog ein Messer, stieß dem Jungen das Messer durch die Hand und nagelte ihn am Mastbaum fest. Der Junge stieß einen durchdringenden Schrei aus.
    Frau Cunningham kam an Deck. Sie sagte zu Bob und Dr.   Clark: «Das ist doch alles Mittelalter …»
    «18. Jahrhundert», korrigierte Dr.   Clark sie.
    Bob sagte: «Das Urteil des Kapitäns, die Vollstreckung durch die Matrosen – vollständig inakzeptabel.»
     
    Die «Arend» passierte den Äquator. Zu dieser Zeit starb ein Mann der Besatzung am hitzigen Fieber. Einige Matrosen beschäftigten sich jeden Tag mit dem Fang von Delphinen, die dem Koch willkommen waren. Sogar Frau Cunningham sagte: «Sie schmecken gut.» Manchmal ging ein Hai ins Netz. Die Matrosen aßen ihn, den Passagieren war sein Geschmack widerlich.
    Vier Wochen später sah man die brasilianische Küste. Kapitän Koster wollte die Insel Ilha Grande anlaufen. Aber er verfehlte sie um acht Meilen. Schließlich ging er bei der Insel Porco vor Anker.
    «Ich verstehe nicht, wie ein erfahrener Kapitän die Insel Ilha Grande verfehlen kann», sagte Frau Cunningham. «Ich hätte gerne meinen Fuß an Land gesetzt nach dieser endlosen Tour über den Atlantik. Soviel ich weiß, teilt man sich auf Ilha Grande die unberührte Natur nur mit Schmetterlingen und Affen. Dort hätte ich mich gerne erholt.»
    «Aber wo hätten Sie dort übernachten wollen. Bei den Tupinambá-Indianern?», sagte Baxter.
    «Wollen Sie mir Angst machen?», erwiderte Frau Cunningham. «Die Indianer sind doch längst ausgerottet.»
    Behrens sagte: «Kapitän Koster schickte vordem eine Schaluppe an die Küste, um Wasser und Lebensmittel zu besorgen. Auch sollte ein Matrose beerdigt werden. Aber ehe die Schaluppe den Strand erreicht hatte, stürmte ein Trupp Bewaffneter heran. Ich selber befehligte die Mannschaft der Schaluppe, und ich erkannte an den Gesten der Bewaffneten, daß sie auf uns feuern würden, wenn wir näherkämen. Wir zerrten den Toten hoch und zeigten ihn. Da ließen sie uns an Land und bestimmten eine Stelle, an der wir den Toten eingraben konnten.
    Wir versahen uns mit Wasser, aber Lebensmittel fanden sich keine. So kehrten wir zur ‹Arend› zurück. Immerhin gelang es auf Porco, Fische und Schildkröten zu fangen. Sie kamen auch unseren Kranken zustatten; wir hatten mehr als vierzig Leute, die am Scharbock daniederlagen. Auf Porco schöpften wir weiteres Wasser und schlugen reichlich Holz. Nach zwei Tagen segelten wir Richtung Südwest.»
    Frau Cunningham verspürte keine Lust, auf Porco spazierenzugehen. Es genügte ihr, das frische Wasser zu genießen, das an Bord gebracht worden war.
    Am nächsten Morgen ließ Kapitän Koster die Anker aufziehen. Der Kurs blieb Südwest, im Westen die brasilianische Küste vor Augen. Stundenlang stand Frau Cunningham an der Reling, um sich am Grün sattzusehen. Sie sagte: «Könnte doch Louis neben mir stehen.»
    «Am Ende der Reise werden Sie neben ihm stehen», sagte Bob.
    «Und wenn er nachts nicht schlafen kann, lese ich ihm Geschichten vor.»
    «Schauergeschichten, meinen Sie.»
    «Louis hat sie gemocht.»
     
    Die «Arend» segelte weiter und ging im Hafen von São Sebastião vor Anker.
    «Ein schönes Fleckchen Erde», sagte Dr.   Clark. Er bat Kapitän
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher