Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition)
Autoren: Jesmyn Ward
Vom Netzwerk:
mich überall anfasste. Das tat er nicht, aber seine Hüften taten es. China bellte, messerscharf. Ich war so kühn wie eine Griechin; ich machte ihn heiß vor Liebe, und in diesem Augenblick liebte Manny mich.
    China leckt ihre Welpen. Ich habe sie noch nie so zärtlich erlebt. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, nachdem sie sie geboren hatte: vielleicht, dass sie sich auf sie setzte und sie erdrückte. Sie biss. Ihre Schädel in blutige Knochenstücke verwandelte. Aber sie macht nichts dergleichen. Stattdessen steht sie vor ihnen, sie auf der einen und Skeetah auf der anderen Seite, wie ein stolzes Eltern paar, und sie leckt sie.
    »Sie is noch nich durch«, sagt Daddy von der Ladefläche seines Wagens. »Die Nachgeburt.« Er verschwindet wieder in der Dunkelheit, begleitet vom Geräusch meiner ausgewaschenen Flaschen, die hinter ihm durch den Sand kullern.
    Es ist, als hätte China Daddy verstanden. Sie zieht sich in eine Ecke zurück, zwängt sich zwischen einen Stapel Holzscheite und das, was ich für den größten Teil eines Automotors halte. Sie wird nicht laut, sie fletscht nur die Zähne. Schneidet Grimassen. Skeetah geht nicht auf sie zu. Sie möchte ihn nicht teilhaben lassen, und er wird sie nicht dazu zwingen. Ihr Maul glänzt rosa und gelb von dem, was sie von ihren Welpen abgeleckt hat. Hinter ihrmacht etwas ein platschendes Geräusch, und schnell dreht sie sich um, ein dünner Schleimfaden hängt noch aus ihr heraus, und frisst, was dort hingefallen ist. Ich gehe in die Hocke und linse durch Skeetahs Beine. Was in der Ecke liegt, sieht dunkellila aus, fast schwarz, und mit einem Schütteln ihres Kopfes ist die glänzende Masse verschwunden. Sie sah aus wie das Innere des letzten Schweins, das Daddy hatte, das er geschlachtet und in eine Wanne geworfen hat, ehe wir die Eingeweide säubern mussten, um Gekröse daraus zu machen; es hat so gestunken, dass Randall sich übergeben musste.
    »Ich hab gehört, dass sie die Nachgeburt immer auffressen«, sagt Randall. China geht an Skeetah vorbei, leckt ihm den kleinen Finger. Es ist ein Kuss, eine zärtliche Geste. Sie stellt sich über das schmutzige Handtuch, auf dem ihre Welpen liegen.
    »Guck mal«, sage ich.
    Etwas bewegt sich, wo sie vorher stand und gefressen hat. Skeetah kriecht auf allen vieren hin und hebt es auf.
    »Ein Kümmerer«, sagt er. Er trägt ihn ins Licht.
    Er ist gestromt. Schwarze und braune Streifen laufen quer über seine Rippen wie bei einem Zebra. Er ist halb so groß wie seine Geschwister. Skeetah schließt seine Faust, und er ist nicht mehr zu sehen. »Er lebt«, sagt er. In seinem Gesicht steht Freude. Er freut sich über noch einen Welpen; wenn er überlebt, kann er vielleicht 200 Dollar dafür bekommen, selbst wenn es ein Kümmerer ist. Er öffnet seine Hand, und der Welpe erscheint, wie das Herz einer Blume. So still wie die Narbe einer Blüte. Skeetahs Mund wird gerade, seine Augenbrauen flach. Er legt ihn ab. »Wird wahrscheinlich sowieso sterben.«
    China legt sich nicht hin wie eine frischgebackene Muter. Sie säugt nicht. Sie leckt den großen roten Welpen ab und vergisst ihn dann. Sie schaut an Skeetah vorbei zu uns. Wir stehen an der Tür. Sie droht uns mit gesträubtem Fell. Skeetah packt sie amHalsband, versucht, sie zu beruhigen, aber sie bleibt starr. Junior zieht sich an Randalls Rücken hoch. Ich überlege kurz, Skeetah zu umarmen, bevor ich gehe, aber China blickt so finster, dass ich ihn lieber nur anlächle. Ich weiß nicht, ob er mich im Dunkeln sehen kann. Er hat seine Sache gut gemacht. Nur ein Welpe ist tot, obwohl es Chinas erster Wurf ist. China scharrt in der Erde, die den Boden des Schuppens bildet, als wolle sie ein Loch graben und die Welpen darin verstecken. Zwischen den Trümmern des schrottübersäten Hofs schlägt Daddy auf etwas Metallenes. Wir gehen. Skeetah befestigt hinter uns wieder den Vorhang, zieht ihn stramm, um die stille klare Nacht auszusperren. Im Schuppen wird es dunkel.
    Ich sage Junior, er soll ein Bad nehmen, sobald wir im Haus sind, aber er beachtet mich nicht, und erst als Randall das Wasser aufdreht und ihn in die Badewanne trägt, wäscht er sich. Randall steht im Türrahmen und schaut Junior zu, weil er überzeugt ist, dass Junior jedes Mal, wenn er die Tür zumacht, nur auf dem Rand der Wanne sitzen bleibt und mit den Füßen im Wasser plantscht. Junior kann Baden nicht ausstehen. Ich bin die Letzte, die duscht, und obwohl ich nur den Kaltwasserhahn aufdrehe, ist das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher