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Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben

Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben

Titel: Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben
Autoren: Aufbau
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reizt die Zervikalmuskeln. Ich halte mich an die Grundbegriffe, das ist wichtig.
    Manche Leute sind schon auf den Gedanken gekommen, ihre Probleme einem Lasttier, einem Esel oder Ochsen, aufzuladen. Diese sogenannte »Satteltechnik«eignet sich zwar gut für Mehlsäcke, Weintrauben und Oliven, funktioniert jedoch überhaupt nicht bei Problemen, die sehr bald mitkriegen, dass sie auf einem fremden Wesen sitzen, und sich flugs wieder auf ihren angestammten Wirt zurückziehen, den Menschen, dem sie sich auf neurotische Weise verbunden fühlen. Diese tiefverwurzelte Anhänglichkeit des Problems, diese archaische und geradezu monomanische Treue hat durchaus ihre Schattenseiten. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle nützlicherweise anmerken, dass das Problem in seinem Ursprung weit in die Geschichte zurückreicht. Wundervolle Exemplare, die sich in Gesellschaft von Mücken in fossilem Bernstein erhalten haben, konnten auf vier Millionen Jahre geschätzt werden. Was so viel heißt, als dass die Sache nicht erst von gestern datiert. Leider hat es seit seinem ersten Auftauchen so gut wie keine morphopsychologische Entwicklung durchgemacht noch ethische oder sexuelle Mutation erfahren. Könnte man nicht von einer Zukunft träumen, in der die Neo-Probleme unter Missachtung jeder Moral wie Schmetterlinge von einem Bündel zum andern gaukeln würden, uns eines schönen Morgens verließen, um zum Nachbarn zu flattern, und uns auf diese Weise mal eine wohltuende Atempause gönnten? Leidernein! Das Problem, konformistisch und reaktionär, zeigt keinerlei Neigung zur Veränderung.
    Und seid vor der jahrhundertealten Versuchung gewarnt, euer Problembündel mal schnell gegen das eines anderen zu tauschen in der Hoffnung, dass dieses harmloser oder flexibler ist. Das hat manch einer schon schwer bereut. Denn der einzige Vorteil unserer eigenen Probleme liegt doch im langen Zusammenleben mit ihnen, bei dem wir gelernt haben, sie zu zähmen. So kommt es schon mal vor, dass wir dem einen oder anderen unserer Probleme befehlen können: Platz! Sitz! Ab in die Hütte mit eingezogenem Schwanz! Wenn ihr hingegen einem andern seine Probleme stehlt, kriegt ihr es mit einer unbekannten wilden Meute zu tun, versucht das bloß nicht. Al contrario , passt auf, dass euch nicht irgendwo im Gedränge, in einer weinseligen Nacht, im Bus, in einer Kriegspiroge, einem Café, alles Orte, wo ausgeflippte Spitzbuben sich mit Vorliebe herumtreiben, jemand euer Bündel klaut.
    Wir sehen, der Ursprung der Probleme, ihre Evolution nach Darwin, ihre Beförderungsmöglichkeiten, ihre Handlichkeit, all das stellt ein schlichtweg faszinierendes Thema dar. Und ihr hättet gern, dass ich esnoch weiter ausführe. Mache ich aber nicht. Denn alles bisher Ausgeführte stellt nicht mehr als eine zaghafte Annäherung an besagtes Bündel dar, eine akademische Abhandlung, die ich schon früher für ein viel ehrgeizigeres Ziel aufgegeben habe: die Rebellion organisieren, das Problembündel in die Luft jagen, es zerstören, in Schutt und Asche legen, zu Staub zermahlen, zertrümmern, sein Haupt auf eine Stange spießen. Genau. Beflügelt von der Hoffnung auf eine neue Welt, machte ich mich auf der Stelle an diese ebenso gottlose wie befreiende Aufgabe. Und dank der Hartnäckigkeit, mit der ich dabei zu Werke ging, gelang es mir, mit den kleineren Verdrießlichkeiten des Daseins wie der Liebe, der Metaphysik, dem Krieg, der Religion, der Kunst, dem Sinn des Lebens, dem Nichts spielend fertigzuwerden. Was mein eigentliches Bündel wesentlich leichter machte, das auf den bescheidenen Umfang eines Tischtennisballs schrumpfte, der ohne weiteres in eine Jackentasche passt. Wobei es auch nicht verboten ist, Tennis damit zu spielen, was bei einem Bündel undenkbar wäre. So hatte ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
    Dieser beispiellose Fortschritt bescherte mir Augenblicke heiterer Gelassenheit. Und sogleich keimte inmir der Gedanke, die beeindruckende Summe der von mir entwickelten Listen mit meinem Nächsten zu teilen. Was mir bisher schon enorm viel Arbeit gemacht hat, ich betone es, ich habe Blut und Wasser geschwitzt, um euch mit Engelsgeduld in den Gebrauch der Schlüssel einzuweisen, mit denen man die Probleme des Lebens in den Griff kriegt, vor allem das Problem der Liebe, das für sich allein schon eine geradezu betonharte Nuss ist. Und während ich mich abmühte, habt ihr mir manchmal nur zerstreut zugehört, doch, doch, ich erinnere mich genau. Allerdings
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