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Von ängstlichen Drachen, halben Mänteln und zahmen Wölfen - die schönsten Heiligenlegenden neu erzählt

Von ängstlichen Drachen, halben Mänteln und zahmen Wölfen - die schönsten Heiligenlegenden neu erzählt

Titel: Von ängstlichen Drachen, halben Mänteln und zahmen Wölfen - die schönsten Heiligenlegenden neu erzählt
Autoren: Patmos
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geht, weil mein Vater ihnen keine Mitgift zahlen kann. Aber wie sollen wir die drei auch noch mit ernähren?“, fragte der Junge. Und als Nikolaus genau hinsah, fiel eine dicke Träne auf seine frisch geputzten Schuhe.
    „O, toll, du hast ein neues Putzmittel“, sagte Nikolaus und wischte sich den Schuh ab, „davon glänzt der Schuh noch mehr. Dafür gebe ich dirauch das Doppelte“, und steckte dem Jungen schnell das Geld in die Tasche, ehe der sich wehren konnte. „Danke, der Herr!“, sagte er und strahlte über das ganze Gesicht. „Da wird sich Papa aber freuen!“ „Wie heißt denn dein Papa?“, fragte Nikolaus möglichst beiläufig. „Hieronimus, der Gerber“, antwortete der Junge und war noch ganz versunken in den Anblick der blinkenden Taler auf seiner Hand.
    Nikolaus machte sich aus dem Staub, aber die Geschichte des Jungen ging ihm nicht aus dem Kopf. Als es Nacht geworden war, lag er in seinem weichen Bischofsbett und konnte nicht schlafen. „Was wird mit den Schwestern geschehen?“, fragte er sich. „Sie werden auf schlimme Weise ihr Geld verdienen müssen. Das kann ichnicht zulassen!“ Entschlossen stand er auf und zog sich wieder seine ganz normalen Alltagssachen an. Dann öffnete er die Geldkassette in seinem Schrank und nahm einen der drei Goldklumpen heraus, die darin lagen. Die hatte ihm eine entfernte Tante vermacht. „Ich habe doch alles, was ich brauche“, dachte Nikolaus, „das Gold ist besser aufgehoben bei Menschen, die nicht mehr ein noch aus wissen.“ Und so machte er sich auf den Weg. Am Tag hatte er einfach ein paar Menschen auf der Straße gefragt, wo Hieronimus, der Gerber,wohnte, und so getan, als wolle er ihn aufsuchen. Daher wusste er jetzt, wo er ihn finden würde.
    Als er vor dem Haus des Gerbers angekommen war, steckte er den Goldklumpen in ein kleines Säckchen und warf ihn durch das geöffnete Fenster in die Wohnstube. So leise wie er gekommen war, verschwand er auch wieder. Er bedauerte nur, dass er die Gesichter des Gerbers und seiner Kinder nicht sehen konnte, wenn sie das Gold fanden.
    Am nächsten Tag ließ er sich wieder die Schuhe von dem Jungen putzen. „Hallo, junger Mann, wie geht es heute?“, fragte er ihn. Der Junge strahlte. „Sie werden es nicht glauben! Es ist ein Wunder geschehen! Heute Nacht hat jemand einen Klumpen Gold durch unser Fenster geworfen! Vater war überglücklich! Nun kann zumindest seine älteste Tochter heiraten! Heute ist unser Glückstag und ich gehe noch einmal so gerne auf den Markt zum Schuheputzen!“ Nikolaus lächelte still in sich hinein. „Das ist aber toll! Das ist ja wirklich fast ein Wunder! Da meint es jemand gut mit euch!“, sagte er. Der Junge nickte heftig.
    Aber auch in dieser Nacht konnte Nikolaus nicht schlafen. Immer musste er daran denken, dass es da noch zwei weitere Schwestern gab, die nicht heiraten konnten, weil sie kein Geld hatten. Also zog er wieder seine Sachen an, öffnete die Geldkassette, nahm den zweiten Goldklumpen heraus und machte sich auf den Weg. Als er vor dem Haus des Gerbers ankam, stand wieder das Fenster der Stube offen, und so konnte er den Goldklumpen durchs Fenster werfen wie in der Nacht zuvor.
    Am nächsten Tag, als Nikolaus wieder zum Schuheputzen auf den Markt ging, war der Junge kaum zu bremsen. „Das kann fast nicht sein“, rief er, „heute Nacht hat uns jemand einen zweiten Klumpen Golddurchs Fenster geworfen! Nun kann auch meine andere Schwester heiraten. Ich weiß: Alles wird gut, wir sind echte Glückskinder! Heute putze ich Ihre Schuhe umsonst, mein Herr!“ „Aber nein“, wehrte Nikolaus ab, „du hast doch noch eine Schwester und du und dein Vater, ihr braucht das Geld. Hier, nimm das!“ Und damit steckte ihm Nikolaus das Geld in die Tasche.
    Als Nikolaus abends auf dem Weg ins Bett war, dachte er wieder an die Familie, die nun noch immer eine Tochter hatte, die nicht heiraten konnte. Da ließ er die Sachen gleich an, nahm nun auch noch den dritten Goldklumpen aus der Schatulle und machte sich auf den Weg. „Sie werden mehr daraus machen als ich. Bei mir hätte das Gold nur geglänzt und mir damit Freude gemacht. Bei ihnen wird aus dem Gold ein Häuschen, eine Familie, Kinder – Leben. Das alles schenkt es aber nur, wenn man nicht daran festhält, sondern es ausgibt“, dachte Nikolaus unterwegs.
    Kurz darauf stand er wieder vor dem Häuschen des Gerbers. Gerade als er den Arm hob, um den Goldklumpen durch das offene Stubenfenster zu werfen, tauchten am
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