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Von ängstlichen Drachen, halben Mänteln und zahmen Wölfen - die schönsten Heiligenlegenden neu erzählt

Von ängstlichen Drachen, halben Mänteln und zahmen Wölfen - die schönsten Heiligenlegenden neu erzählt

Titel: Von ängstlichen Drachen, halben Mänteln und zahmen Wölfen - die schönsten Heiligenlegenden neu erzählt
Autoren: Patmos
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wieder um die Schulter, steckte sein Schwert ein und reichte dem Bettler die andere Mantelhälfte. „Da, nimm. Mir wird schon eine Ausrede beim Zeugmeister einfallen, warum ich nur noch einen halben Mantel habe. Du brauchst ihn dringender als ich.“
    Ungläubig starrte der Bettler auf den warmen, weichen Stoff in seiner Hand und konnte es gar nicht glauben. „Aber, aber …“, stotterte er. Und noch eher er Martin danken konnte, hatte dieser sich wieder auf sein Pferd geschwungen und war im Stadttor verschwunden.
    „Jetzt weiß ich, was Julius meinte, dass man Christen an dem erkennt, was sie tun“, dachte Martin. „Und sobald Julius wieder gesund ist, werde ich ihn bitten, mich mit zu ihnen zu nehmen. Ich glaube, da bin ich gut aufgehoben.“ Und damit trat er in die Wachstube, in der Darius schon auf ihn wartete.
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    Namenstag:
    11. November

Christopherus ist nichts zu schwer
    Die meisten Menschen hatten Angst vor Reprobus. Das lag wohl vor allem daran, dass er einfach nicht aufgehört hatte zu wachsen und so groß war, dass manche über ihn erzählten, er sei der Sohn eines Riesen und gar kein Mensch. Außerdem war Reprobus bärenstark. Kein Stein, der ihm zu schwer gewesen wäre, und wenn es sein musste, konnte er einen Baumstamm ganz allein tragen.
    Was aber die wenigsten wussten war, dass Reprobus ein großes und ganz weiches Herz hatte. Eigentlich konnte er keiner Fliege etwas zu leide tun. Und leider war er auch nicht ganz so schlau wie er stark war. Das wusste er aber auch selbst. „Ich bin der stärkste Mensch, den ich kenne“, dachte er, „aber leider nicht der schlauste. Wenn ich mich jetzt auf die Suche nach dem schlausten Menschen mache, den es gibt, dann können wir uns ergänzen. Und wenn ich diesem Menschen diene, können wir gemeinsamganz viel Gutes tun“, dachte Reprobus. „Aber wie finde ich diesen Menschen?“
    „Wer nicht fragt, bleibt dumm“, dachte sich Reprobus weiter, und so fragte er jeden, dem er begegnete: „He du, wer ist der schlauste Mensch, den du kennst? Ich möchte ihm dienen. Aber es muss der Schlauste sein! Nur für ihn will ich arbeiten, ich bin schließlich auch der Stärkste!“
    Die meisten Menschen hatten zunächst einmal Angst, Reprobus zu antworten. Und dann fiel ihnen meistens irgendein schrecklich mächtiger Mensch ein, denn wer es schaffte, mächtig zu werden, musste ungeheuer schlau sein. Immer, wenn ihm einer den Namen eines Mächtigen nannte, machte Reprobus sich zu dessen Hof auf. War er dort angekommen, dann bot er ihm seine Dienste an und sagte ihm, er wolle ihm Untertan sein, weil er der schlauste und der mächtigste Mensch sei, den es gab, wie er von anderen gehört hatte. DieMächtigen fühlten sich von ihm immer sehr geschmeichelt und nahmen ihn gerne in ihren Dienst. Aber meistens dauerte es nur ein paar Wochen, bis Reprobus merkte, dass er nicht beim Mächtigsten und auch nicht beim Schlausten gelandet war, denn es gab immer noch einen anderen, vor dem sich die Mächtigsten fürchteten, weil sie noch mächtiger waren: der Graf vor dem Fürsten, der Fürst vor dem Kaiser, der Kaiser vor dem Teufel und der Teufel vor – Christus.
    Reprobus kannte diesen Christus nicht, aber er wollte ihn unbedingt kennenlernen. Jedoch konnte ihm niemand sagen, wo er ihn finden würde. Bis er eines Tages einen Mann traf, der ihm sagte: „Geh dort zum Ufer des Flusses hinunter und folge ihm, bis du zur nächsten Furt kommst. Dort lebt in einem kleinen Häuschen ein alter, weiser Mann, der Christus schon einmal begegnet ist. Frag ihn, er kann dir sicher weiterhelfen.“
    Reprobus fand die Furt, das kleine Häuschen und den alten Mann. Und als er ihm gegenüberstand, sagte Reprobus: „Ich bin so weit gereist, weil ich dem Schlausten und Mächtigsten dienen will, aber nur ihm. Und immer fand ich mächtige Menschen, aber immer gab es auch einen anderen, vor dem die Mächtigen Angst hatten, weil er noch mächtiger ist. Sogar dem Teufel habe ich gedient, und der schließlich hatte Angst vor Christus. Man sagte mir, du könntest mir sagen, wer er ist und wo ich ihn finden kann.“ Der alte Mann lächelte und bat Reprobus in sein Haus. „Ja, ich kenne Christus“, sagte er, als sie gemeinsam am Tisch saßen. „Aber es ist nicht so, dass du einfach zuihm hingehen kannst. Es ist vielmehr umgekehrt: Wenn du ihn suchst, wird er dich finden und zu dir kommen. Dazu brauchst du aber ein bisschen Geduld“, meinte der Alte.
    „Die habe ich, und alle Zeit der Welt“,
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