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Vom Tod verführt: Roman (German Edition)

Vom Tod verführt: Roman (German Edition)

Titel: Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
Autoren: Kalayna Price
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abzeichnen musste, einschließlich der Erklärung, mit der ich mich verpflichtete, über alles zu schweigen. Mein Standardhonorar wurde durchgestrichen und mit einem roten Stift » pro bono« darübergeschrieben.
    Ich biss mir auf die Lippen, als ich meine Unterschrift daruntersetzte. Umsonst zu arbeiten tat weh, aber John erwies mir einen Riesengefallen damit, dass er mich einen Blick auf Colemans Leiche werfen ließ. Und indem er mir ganz offiziell einen Fall zuwies, verschaffte er mir einen legitimen Grund, mich im Leichenschauhaus aufzuhalten. Was mich dennoch nicht über die » Große Null« hinwegtröstete.
    Ich gab ihm die unterzeichneten Dokumente zurück, und John steckte sie sorgfältig weg, bevor er die Tür zum Leichenschauhaus aufstieß. Über unseren Köpfen summten die Neonlampen, das Summen vermischte sich mit dem Geräusch, das unsere Schuhe auf dem Linoleumboden verursachten. Tabletts mit sterilen Instrumenten waren an den beiden freien Obduktionstischen befestigt, die sich links und rechts im Raum befanden. Am hinteren Ende schloss sich der Kühlraum an, daneben lag das Büro des Gerichtsmediziners, durch dessen Fenster gelbes Licht drang.
    Die Bürotür öffnete sich, und ein Assistenzarzt mit zottigem Haar erschien. » Detective Matthews? Miss Craft? Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?« Sein Blick schweifte von John zu mir.
    Miss Craft? Ich sah ihn stirnrunzelnd an. Tommy Stewart war seit einem Jahr Assistent in der Gerichtsmedizin, und schon seit seiner zweiten Woche redete er mich nicht mehr mit meinem Nachnamen an. Vor einem Monat waren wir mal auf ein paar Drinks miteinander ausgegangen, und… Na ja, eins hatte zum anderen geführt, doch es war nichts Ernstes gewesen. Jedenfalls nicht für mich.
    » Tommy«, sagte John, » wie wär’s, wenn Sie mal ’ne Zigarettenpause machen?«
    Es war keine Frage.
    Tommy schob die Hände in die Taschen seines weißen Kittels und straffte die Schultern. » Brauchen Sie einen Leichnam?«
    » Ich habe das Okay.« John wartete. » Also, wie ist das mit der Zigarettenpause?«
    Tommy schüttelte den Kopf. » Detective Andrews sagte…«
    John ließ ihn nicht ausreden. » Ich regle das schon mit Andrews.«
    Tommy verzog den Mund, kniff die Augen zusammen, doch dann meinte er nur: » Also gut, Zigarettenpause.«
    Er ging zum Ausgang, drehte sich an der Tür aber noch einmal um. Sein Blick traf mich, hart, bitter. O Mann, ich weiß echt, wie man eine Freundschaft zerstört! Ich seufzte, als sich die Tür hinter ihm schloss.
    » Wer ist Detective Andrews?«, fragte ich John, der gerade im Kühlraum verschwand.
    Er drehte sich nicht einmal um. » Mach dir seinetwegen keine Gedanken.«
    Ich wippte auf den Fersen, während ich wartete, und konnte mehrere mit weißen Tüchern bedeckte Bahren sehen– war wohl eine arbeitsreiche Woche in der Gerichtsmedizin gewesen.
    Eine durchscheinende Gestalt bewegte sich zwischen den Leichen umher und murmelte etwas vor sich hin. Seine ausgebeulten Jeans und das karierte Flanellhemd waren farblos und schimmerten bei jedem seiner Schritte. Hätte ich meinen mentalen Schild gesenkt, ich hätte die Farbe seines Haars erkennen und hören können, was er da brabbelte, doch so neugierig bin ich nun auch wieder nicht.
    Geister, zumindest die echten umherwandernden Seelen, gibt es nur wenige, und sie sind eine ziemlich unerträgliche Bande. Schließlich muss man schon ganz schön stur sein, wenn man sich den Bemühungen des Todes widersetzt, einem die Seele wegzunehmen. Dummerweise waren die meisten Geister, denen ich begegnet bin, nicht sehr glücklich über ihren Erfolg, sondern einfach nur stinksauer, dass all ihr Widerstand ihnen nicht geholfen hat, am Leben zu bleiben.
    Ich musste einen Laut von mir gegeben haben, denn der Geist blickte auf und sah, wie ich in seine Richtung schaute. Er schob eine schimmernde Brille seine Nase hoch, dann zeigte er mir den Stinkefinger. Idiot. Ich erwiderte die rüde Geste, und ihm fiel die Kinnlade nach unten. Ich vermag keine Lippen zu lesen, aber dass er fragte » Kannst du mich wirklich sehen?«, war so offensichtlich, dass ich nickte.
    Nicht so einfach waren seine nächsten Worte zu erraten. Seine Lippen bewegten sich schnell, die Hände glitten durch die Luft, unterstrichen seine lautlose Rede mit übertriebenen Gesten. Na, großartig – ein reizbarer Geist. Wie lange mochte er schon tot sein? Die meisten Geister brauchen eine Weile, bis sie begreifen, dass niemand sie sehen kann. Na ja,
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