Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Volles Rohr

Volles Rohr

Titel: Volles Rohr
Autoren: Stephenson Neal
Vom Netzwerk:
widerstehen, über die Reling zu linsen und Boone mit einem Kaugummi zu bewerfen. War er
    überhaupt da? Ja, obwohl ich ihn nicht gesehen hätte, wenn ich mich nicht angestrengt hätte. Er war total
    schwarz, Lichter gab's hier keine, und als er jemanden über sich bemerkte, drückte er sich gegens Heck und
    erstarrte. Ich verfehlte ihn um dreißig Zentimeter.
    Dann zog ich meine Taschenlampe raus und leuchtete
    einen Moment mein Gesicht an. Anschließend sein
    Gesicht. Er guckte so dumm aus der Wäsche, wie ich's noch nie bei ihm erlebt hatte - war irgendwie
    befriedigend. Dann drehte ich mich um und ging. Er hatte seine Sache recht gut gemacht; er war schon halb oben.
    Tom zeigte uns die Brücke und den Aufenthaltsraum, in dem der Rest der Crew saß, sich eine Spielshow reinzog -
    Wheel of Fortune - und Rolling Rock trank.
    Sie sagten alle schnell Hallo und glotzten sofort wieder in die Röhre. Wir waren in einer der klassisch engen, aber gemütlichen Kajüten mit Holzimitat-Täfelung über
    stählernen Spanten, ein paar Borde, Stereoanlage und Fotos von Miezen mit Riesentitten. In der Ecke brabbelte ein CB-Funkgerät zwecks Hintergrundberieselung.
    Wir sahen eine Weile fern, gluckerten unser Bier, führten stereotype Männergespräche über die wilden Vorgänge
    auf Spectacle Island und die Tatsache, daß da Frauen waren, auch hübsche. Ich überließ das größtenteils Bart; an der Wand hing eine Blaupause von der Basco
    Explorer, und ich versuchte, sie mir in allen Einzelheiten einzuprägen.
    Das Leben ist komisch. Da planst du, dich auf einem
    Schiff einzuschleichen, und deine Paranoia treibt die schönsten Blüten; du stellst dir vor, daß du sofort
    entdeckt wirst, weil an der Reling alle sechs, sieben Meter Wachleute stehen. Aber als ich diese Typen in der Kajüte sah, die mieses Bier tranken und in die Glotze plierten, umgeben von totaler Dunkelheit, wußte ich, daß sie keine Chance hatten, Boone zu entdecken. Wir hätten ihn ebensogut mit einem Hubschrauber an Deck absetzen können. Ich hoffte nur, daß er ein ungiftiges Versteck fand.
    Es heißt, Eltern könnten das Schreien ihres Babys aus dem größten Tumult raushören. Vielleicht ist das wahr.
    Jedenfalls schien ein solches elterliches Schaltsystem in mein Hirn eingebaut zu sein, denn ich nahm in dieser Kajüte plötzlich Debbies Stimme wahr.
    Mein Herz klopfte dermaßen, daß ich fast vom Stuhl fiel.
    Ich dachte, sie sei irgendwo an Bord. Ich dachte, die Typen hätten sie geschnappt. Dann ging mir auf, woher ihre Stimme kam: aus dem CB-Funkgerät in der Ecke.
    Durch den Geräuschsalat dröhnte was Starkes. Ich hörte einen Außenbordmotor, das Rauschen von Wellen und
    einen aufgeregten, gestreßten Mann: »Explorer, bitte kommen. Explorer, bitte kommen.« Debbies Stimme war im Hintergrund. Ich konnte nicht alles verstehen, aber sie stieß Morddrohungen aus. Und sie hatte Angst.
    Ich trank einen Schluck Guinness, um mich zu
    entspannen, holte tief Luft und sagte: »He, ich glaube, da ruft euch jemand.«
    Das weckte den Kapitän, einen kartoffelgesichtigen Iren, der bis dahin auf einer Kunstlederbank gelegen und nach sechsunddreißig anstrengenden Stunden ein bißchen
    gedöst hatte - wahrscheinlich hatten sie ihn aus einer Bar in New Jersey rausgeholt und zu einer Schnellfahrt nach Boston abkommandiert. Er schlurfte zum Funkgerät und schnappte sich das Mikro. »Explorer.«
    Am anderen Ende sprach eine neue Stimme. »Hier
    Laughlin. Ich komme jetzt«, sagte er laut, nervös und herrisch.
    »Scheißwichser!« schrie Debbie im Hintergrund.
    Der Kapitän verzog angewidert das Gesicht; er sollte auf seinem Schiff plötzlich nichts mehr zu melden haben.
    Das größte Arschloch der Welt führte jetzt Regie. »Na, dann kommen Sie«, sagte er.
    Die Crew drehte sich von der Glotze weg und lachte.
    »Wir müssen eine Spezialladung an Bord bringen, und
    zwar schnell und unauffällig«, sagte Laughlin.
    »Wahrscheinlich werden wir den Kran brauchen - und
    ein Netz.«
    Ich überlegte mir, ob es irgendein gewaltfreies Verfahren gab, mit dem man Laughlin zu Tode foltern konnte.
    »Ich glaub', ihr geht jetzt besser«, sagte Tom.
    »Okay«, sagte ich, »mir ist sowieso ein bißchen
    schlecht.«
    Bart zuckte die Achseln. Er wußte nicht, was los war, aber er verhielt sich kooperativ. Wir verließen die Kajüte.
    In letzter Minute dachte ich noch daran, mich
    umzudrehen und nachzuschauen, auf welchem Kanal sie
    sprachen: Kanal II.
    Auf der Strickleiter wollte ich schon
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher