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Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Titel: Virtuosity - Liebe um jeden Preis
Autoren: Jessica Martinez
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Ich hielt inne. »Klasse«, fügte ich dann hinzu und bemühte mich, aufrichtig zu klingen.
    Heidi würde zwangsläufig irgendwann einen echten Job annehmen. Sie unterrichtete mich jetzt seit sechs Jahren, aber meineSchulausbildung war fast beendet und ich würde im Herbst an der Juilliard-Schule, dem berühmten Musik-Konservatorium in New York, anfangen. Natürlich hatte sie Vorstellungsgespräche. Aber wofür? Sie hatte Kunstgeschichte studiert und ich war ihre einzige Arbeitserfahrung.
    »Was für einen Job?«, hakte ich nach.
    Sie zuckte die Achseln. »Personalabteilung bei OfficeMax .«
    Ich nickte.
    Sie nickte.
    Keine von uns beiden sprach es aus, aber wir dachten es beide: Sie hätte lieber Zahnmedizin studieren sollen.
    Eine Kellnerin kam mit einem neuen Getränk für Heidi und füllte mein Wasser nach.
    »Kann ich Ihnen sonst noch etwas bringen?«, erkundigte sie sich.
    Heidi schüttelte den Kopf und die Kellnerin ging wieder. Mein Blick war kein einziges Mal vom Hinterausgang gewichen. Es bewegte sich nichts.
    »Und woher weißt du, dass er blonde Haare hat, wenn du ihn noch nie gesehen hast?«, wollte Heidi jetzt wissen.
    »Von seinem Foto«, entgegnete ich. »Neben seinem Lebenslauf im Programm der Carnegie Hall.« Ich zog das Heft aus der Häkeltasche, die auf meinen Knien ruhte. Die Tasche aus Hanf war ein Souvenir, das ich auf dem Camden Market in London gekauft hatte, während ich in Großbritannien getourt war. Sie war mit CDs vollgestopft – verschiedene Aufnahmen von Bach-Sonaten und -Partiten für Violine. Nach meiner Stunde hatte mich Juri mit ihnen nach Hause geschickt. Ich sollte sie mir anhören und analysieren.
    Ich reichte Heidi das Programm der Carnegie Hall, das genau auf der Seite mit dem Foto aufschlug. »Diana hat es aus New York mitgebracht.«
    »Sie hat ihn spielen gehört?«
    »Nein. Das Programm ist ein Jahr alt. Sie hat es mir nur besorgt.«
    »Und klappte es da auch schon genau auf dieser Seite auf oder geht das auf dein Konto?«
    Ich biss nicht an. Entweder wollte sie damit sagen, dass Diana eine überehrgeizige Mutter oder dass ich von Jeremy King besessen war. Beides war nicht vollkommen richtig.
    Aber auch nicht falsch.
    Heidi begutachtete das Foto. »Süßer Junge. Grübchen, Locken. Er sieht aus wie die männliche Ausgabe von Shirley Temple. Wie alt?«
    »Siebzehn.«
    »Nie im Leben.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Das steht zumindest in seinem Lebenslauf.«
    »Eher zwölf.«
    Ich sah auf die Uhr. 1:37. »Seine Probe hätte um Viertel nach eins zu Ende sein sollen. Vielleicht haben wir ihn verpasst.«
    »Woher weißt du denn, wann er probt?«
    »Ich habe letzte Woche den Probenplan vom CSO gesehen. Ich hatte gestern die Mittagssession und er ist heute dran.«
    Aber die Tür hatte sich immer noch nicht geöffnet. Zumindest nicht, seit wir uns vor dreißig Minuten hingesetzt hatten. Und das bedeutete, dass Jeremy immer noch im Gebäude sein musste.
    Heidi nahm das Programm noch mal hoch und studierte das Foto eingehend. »Der kann nicht in deinem Alter sein.«
    Ich zuckte die Achseln und sah wieder zum Hinterausgang. Vielleicht war er abgeschlossen, überlegte ich. Vielleicht hatte Jeremy einen der Vorderausgänge benutzt. Aber die von den Umkleideräumen aus zu finden war nicht leicht, wenn man sich nicht mit den Korridoren, Seiteneingängen und Tunneln auskannte. Nein, er würde ganz bestimmt durch diese Tür kommen.
    Plötzlich wurde sie aufgestoßen.
    Ich schnappte aufgeregt nach Luft, bis ich feststellte, dass er es nicht war. Ein großer, schlaksiger Typ in Jeans und T-Shirt mit Baseballkappe kam zum Vorschein. Vielleicht ein Bühnenarbeiter. Aber er hatte einen Geigenkasten über seine Schulter geworfen. Ich blinzelte gegen die Sonne an. Warum nur hatte ich keine Sonnenbrille mitgebracht? Hinten unter der Baseballkappe kringelten sich blonde Haare. Und unter dem Schatten, den der Schirm auf sein Gesicht warf, entdeckte ich Grübchen auf den Wangen.
    Jeremy King.
    Mein Magen hob sich. Das konnte auf keinen Fall Jeremy King sein. Das war auf keinen Fall der Junge auf den Fotos, die ich online und im Programm gesehen hatte. Es sei denn, die Fotos waren alt.
    Sehr, sehr alt.
    Ich zwang mich dazu, langsam einzuatmen. Falls das wirklich Jeremy King war, war er kein Wunderkind. Zumindest nicht mehr.
    Der Typ mit der Baseballmütze – von den Yankees, wie ich jetzt sehen konnte – sah sich etwas orientierungslos nach rechts und links um. Dann machte er ganz
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