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Viel besser als fliegen - wahre Geschichten für Teens

Viel besser als fliegen - wahre Geschichten für Teens

Titel: Viel besser als fliegen - wahre Geschichten für Teens
Autoren: kelly Carr
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mich, ob ich durch meine erste Prüfung durchfallen würde. Das durfte nicht passieren. Bis zum Hochschulabschluss waren es noch drei Monate und ich konnte kein Wiederholfach mehr reinnehmen.
    Dieses Seminar über englische Literatur aus dem viktorianischen Zeitalter (etwa dem 19. Jahrhundert) hatte ich mir nicht selbst ausgesucht. Die anderen Studenten hatten mich gleich davor gewarnt: „Mach ja keinen Kurs bei diesem Dozenten.“ Doch ich brauchte noch ein Seminar zu englischer Literatur und zu meinem Unglück passte nichts anderes in meinen Stundenplan.
    Der Dozent sah richtig viktorianisch aus, so, als käme er aus einem anderen Jahrhundert – bleich, mit dünnem grauen Haar und einem griesgrämigen Gesicht, wie der Geizhals Scrooge aus einem anderen Buch von Charles Dickens. Der Unterricht zog sich in die Länge wie Kaugummi. Die Bücher waren mühsam zu lesen. An manchen Abenden schlief ich ein, während ich eigentlich versuchte, mir einen Weg durch hundert Jahre alte Sätze zu bahnen, die eine halbe Seite einnahmen.
    Trotzdem gab ich mir in dem Seminar die größte Mühe. Ich setzte mich nicht nur ganz vorne hin, um Ablenkung zu vermeiden, sondern las auch zu Hause die Literatur und schrieb die kleinsten Details mit, um mich auf die Fragen des Dozenten vorzubereiten. Einmal hatte ich einen Termin bei ihm, um die Gliederung meiner Seminararbeit zu besprechen, doch seine Distanziertheit vermittelte mir das Gefühl, dass ich bloß seine Zeit verschwendete. Ich bat Gott um Hilfe, damit ich mich in den zehn Wochen, die das Seminar dauerte, auf das Positive konzentrieren konnte.
    Nun, da die Prüfung begann, fragte ich mich, ob das alles umsonst gewesen war. In der folgenden Stunde schrieb ich mehrere Seiten voll mit bla bla. Beim Abgeben sagte der Dozent uns, wir könnten die Prüfungsblätter nach den Ferien in seinem Büro wieder abholen.
    Mehr als ich verdient habe
    Die Frühjahrsferien verbrachte ich zu Hause. Die ganze Woche lang war ich deprimiert und fürchtete mich vor der Reaktion meiner Eltern auf mein vermasseltes Seminar. Die Noten bekamen wir per Post nach Hause geschickt.
    „Post für dich“, rief meine Mutter am Freitag. Meine Hände zitterten, als ich den amtlichen Brief aufschlitzte und die Zeilen überflog. Dann blieben meine Augen wie gebannt an der Note hängen: Nicht eine 5 oder 6 stand dort, wie ich erwartet hatte, sondern eine 3!
    Als in der darauffolgenden Woche der Unterricht wieder begann, suchte ich das Büro meines Dozenten auf. Meine Schuhsohlen quietschten auf dem Gang, während ich überlegte, was ich wohl sagen könnte.
    „Ich möchte gern meine Prüfungsunterlagen abholen“, sagte ich, nachdem er die Tür geöffnet hatte. Er durchsuchte einen Stapel und ich wusste, dass ich in dieser unangenehmen Stille nachfragen musste.
    „Dass ich in Ihrem Seminar eine 3 bekommen habe, hat mich gefreut, aber auch überrascht“, fing ich an. „An dem Tag habe ich mich nämlich krank gefühlt und eine schlechte Klausur geschrieben.“
    „Ja, das stimmt“, erwiderte er. „Die Klausur entsprach nicht Ihren sonstigen Leistungen in diesem Semester. Ich habe mich entschieden, die Klausur zu vernachlässigen.“
    Gnade, reinste Gnade. Das hätte ich niemals von einem Doppelgänger des Geizhalses Scrooge erwartet.
    Zwei Lektionen
    An diesem Tag lernte ich zwei Lektionen. Die eine war, dass man Gerüchte über den Ruf von Lehrern und Professoren mit Vorsicht genießen muss. Wie oft schon hatte ich Menschen nach ihrem Äußeren beurteilt? Ich weiß, dass das nicht in Ordnung ist: „Der Mensch urteilt nach dem, was er sieht, doch der Herr sieht ins Herz“ (1. Samuel 16,7; NL).
    Die andere Lektion war ein neues Verständnis von Gottes Gnade. Ich hatte diese 3 nicht verdient, bekam die Note aber, weil der Dozent über mein Versagen in der Klausur hinwegsah. Doch wenn Gott der Dozent und das Seminar mein Leben gewesen wäre, hätte er mir in seiner Gnade eine 1+ gegeben, obwohl ich in der Klausur und in allen anderen Prüfungen versagt hätte. Woraus ich das schlussfolgere? In Römer 3,21–26 steht, dass keiner von uns die Anforderungen, die Gott an uns stellt, erfüllen kann. Doch er reagiert mit Gnade auf unser „Ungenügend“. Er wischt unsere Sünde weg, indem er Jesus sandte, der an meiner Stelle für die Sünden starb. Mir gefällt, was der Prophet Jeremia sagte: „Von Gottes Güte kommt es, dass wir noch leben. Sein Erbarmen [seine Gnade] ist noch nicht zu Ende, seine Liebe ist jeden
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