Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verzauberte Herzen

Verzauberte Herzen

Titel: Verzauberte Herzen
Autoren: Teresa Medeiros
Vom Netzwerk:
und ließ ihn durch und durch frösteln.
    Die
rußgeschwängerte Luft, die düster über die zerklüftete Silhouette der Kamine
und Dächer waberte, trübte das Licht der Sterne, bis nur noch ein diffuses
Flackern blieb. Die leblose Stille ließ ihn Tuppers fröhliches Geplapper vermissen.
    Aber er
hatte sich für diese nebel- und rußerfüllte Stadt entschieden. Er war nicht
mehr Gwendolyns Drache oder das Oberhaupt des MacCullough-Clans. Er war nur
einer von vielen gesichtslosen Fremden.
    Er zündete
sich eine Zigarre an. Früher hatte ihn seine rastlose Seele unablässig durch
die Nacht streifen lassen. Doch die vertrauten Etablissements und die Frauen,
die dort verkehrten, hatten ihren Reiz verloren und waren ein Opfer der wenigen
Stunden in Gwendolyns Armen geworden.
    Er hörte
Schritte hinter sich. Er drehte sich um, doch die Straße war düster und leer.
Die Straßenbeleuchtung vermochte kaum mehr als ein paar hellere Flecken in den
Nebel zu tupfen. Er lauschte angestrengt, doch das sachte Zischen gehörte der
brennenden Zigarre in seiner eigenen Hand.
    Er klemmte
sie sich in den Mundwinkel und marschierte weiter. Er war noch nicht lang genug
wieder in London, um sich neue Feinde gemacht zu haben. Allerhöchstens hatte er
die falsche Ehefrau mit einer Bemerkung verletzt.
    Aber ein
wütender Ehemann wäre ihm nicht nach Hause nachgeschlichen, sondern hätte ihn
lauthals zum Duell gefordert. Und Bernard hätte ihm die Genugtuung nicht verweigert.
Von einer Pistolenkugel ins Jenseits befördert zu werden war jedenfalls
schneller und ehrenhafter, als sich zu Tode zu trinken.
    Wer hätte
gedacht, dass ein Stadthaus am schmucken, belebten Berkeley Square mitten in
London einsamer und abschreckender wirken konnte, als ein Ruine am Rand einer
Klippe im schottischen Hochland? Die Nachbarhäuser hießen mit hell
erleuchteten Fenstern ihre Bewohner willkommen. Von irgendwoher drangen
Kinderlachen und fröhliches Geklimper auf dem Pianoforte aus einer offenen
Haustüre. Bernards Haus am Ende der Straße erwartete ihn düster und schweigend.
    Er lief
gerade die Vordertreppe hinauf, als ihm ein flackerndes Licht im oberen
Stockwerk auffiel.
    Er blieb
stehen, die Hand am schmiedeeisernen Handlauf. Er hätte schwören können,
Jenkins den Abend freigegeben zu haben. Er starrte ein paar Minuten lang zu den
dunklen Fenstern hinauf, aber das gespenstische Flackern war verschwunden.
Dann schloss er kopfschüttelnd die Eingangstüre auf und schwor sich, nie mehr
Champagner, sondern nur noch Portwein zu trinken.
    Er nahm ein
kaltes Abendessen aus Roastbeef und Brot. Danach vergrub er sich so lange in
seine Geschäftsbücher, bis ihm die Zahlenreihen vor den Augen tanzten. Er war
so erschöpft, dass ihm auf der Treppe zum Schlafzimmer die Schritte schwer
wurden, doch erst weit nach Mitternacht fand er endlich unruhigen Schlaf.
    Aus dem ihn
ein unirdisches Geheul herausriss. Er saß senkrecht
im Bett und stellte fest, dass hinter der traurigen Melodie ein Dudelsack
steckte, der jedoch so abrupt verstummte, dass Bernard schon glaubte, geträumt
zu haben.
    Unerklärliche
Schrittgeräusche. Flackernde Lichter in einem verlassenen Haus. Und ein
schaurig klagender Dudelsack mitten in London.
    Entweder er
träumte oder er war dabei, dem Wahnsinn zu verfallen. Er tastete auf seinem
Nachttisch nach Zunderbüchse und Kerze. Just als er feststellen musste, dass
beides nicht mehr da war, fiel ihm noch etwas anderes auf.
    Er war
nicht allein.
    Irgendjemand
war mit ihm in seinem Schlafzimmer. Irgendjemand mit leisen Atemzügen, die
seinen donnernden Herzschlag kontrapunktierten. Er zog leise die geladene Pistole
unter dem Kopfkissen hervor.
    Er richtete
die Mündung auf den Schatten. »Wer zum Teufel sind Sie. Und was machen Sie in
meinem Haus?«
    »Manche
behaupten, ich sei das Oberhaupt des MacCullough-Clans, andere nennen mich die
Herrin von Weyrcraig Castle, aber Sie, Sir, dürfen mich Mylady Drache nennen.«

27
    Gwendolyn aus dem Schatten kommen zu sehen,
war, als träte die Sonne hinter einer Wolkenbank hervor: Das unerwartete Licht
ließ die Augen schmerzen. Sie war ein Traum in Lavendelblau. Die fließenden
Linien ihres Seidenkleids unterstrichen die sinnlichen Kurven ihres Körpers nur
noch mehr. Ihr Haar fiel ihr in goldenen, weichen Lockenkaskaden ums Gesicht,
und das Blau ihrer Augen schimmerte warm.
    »Gut. Ich
träume also«, murmelte er vor sich hin und kniff die Augen zu. Doch als er sie
wieder öffnete, war Gwendolyn immer noch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher