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Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition)

Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition)

Titel: Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition)
Autoren: Frederik Jötten
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macht.
    Vielleicht sind wir manchmal Schwarzseher, bestimmt aber: ziemlich sensibel. Das ist aber gar nicht schlecht. Ein Psychologe sagte einmal zu mir im Interview: «Sensibel zu sein ist auch eine Ressource.» Wir nutzen sie voll aus.

    Frederik Jötten

FREDERIK JÖTTEN

Herr Doktor, ich habe Rücken, Fuß und Brust!
    Von Ärzten abgezockt und von allen anderen ausgelacht: Wer als Hypochonder gilt, hat es schwer – aber auch Überlebensvorteile.
    Ein Arzt hat mich einmal mitleidsvoll angeschaut und gesagt: «Menschen wie Sie haben es wirklich schwer.» Ich hatte ihm zuvor meine «Top fünf» der Leiden der Woche geschildert – mit seiner Antwort wollte er mir wohl sagen, dass er mich zwar für einen Hypochonder hielt, aber trotzdem gut an mir verdienen wollte. Jedenfalls nutzte er die Chance, um mir alle Untersuchungen, die sein Labor anbot, aufzuschwatzen.
    Aber er hatte recht. Ich
habe
es schwer. Ich habe Schmerzen im Fußgelenk, ich denke: eine Knochenabsplitterung. Ich habe Kopfschmerzen, ich denke: Tumor. Ich habe ein Stechen in der Brust, ich denke: Herzinfarkt. Ständig ein Wehwehchen oder – meistens – Schlimmeres. Realistisch betrachtet, haben wohl viele Menschen die gleichen körperlichen Unzulänglichkeiten wie ich, bekommen aber davon nichts mit.
    Da einige meiner Verwandten in dieser Hinsicht ganz ähnlich funktionieren, bin ich mir sicher: Es liegt in unseren Genen. Da liegt die Frage nahe: Wie konnten unsere Vorfahren damit durchkommen? Hätte die Evolution uns Schwache nicht vernichten müssen?
    Ich glaube, es war so: Meine Vorfahren saßen in ihrer Hütte. Plötzlich stand der Nachbar in der Tür: «Hey, wir machen los, Bärenjagd, kommt ihr mit?» Mein Vorfahr sagte nichts und zeigte auf seinen Hals. «Was soll das heißen? Schon wieder Halsschmerzen?», fragte der Nachbar. «Nie kommst du mit zur Jagd, willst du das ganze Jahr gestampfte Hirse essen?»
    Zwei Jahre später war der Nachbar bei der Treibjagd zusammengebrochen: verschleppte Erkältung, Herzmuskelentzündung, Exitus. Sein ältester Sohn war von einem Bär zerfleischt worden. Seine Tochter war nach einem Schlaganfall – zu viel fettes Bärenfleisch, Arteriosklerose, hoher Blutdruck – nicht mehr gebärfähig. Und meine Vorfahren saßen immer noch in der Hütte und mümmelten Hirse.
    Manchmal, das heißt, wenn sie sicher waren, dass die Sexualpartner keine Halsschmerzen hatten, hatten sie sogar Geschlechtsverkehr. Und so kam es, dass sie sich fortpflanzten, obwohl (oder gerade weil) sie keine coolen Bärentöter waren. Von wegen
Survival of the Fittest
– wir Sensiblen sind die Gewinner der Evolution!
    Der Arzt, der mich als Sensibelchen bezeichnet hatte, sagte mir zwei Wochen nach der Laboruntersuchung, es sei alles in Ordnung. Vielleicht war er auch von vornherein sicher, dass ich eh nichts habe – und rechnete die Untersuchungen nur ab, ohne sie wirklich zu machen.
    Jahre später stellte sich jedenfalls heraus, dass ich ein Gen habe, das Rheuma begünstigt – obwohl ich es seiner Untersuchung zufolge nicht hatte. Es soll also keiner sagen, dass wir Sensibelchen uns Krankheiten einbilden – jedenfalls nicht ausschließlich. Wir haben wohl einfach ein paar andere Gene.
    «Was spricht dafür, dass Sie jetzt ausgerechnet diese Erkrankung haben sollten?»
    Florian Weck, Psychologe an der Universität Frankfurt, forscht über die Therapie der Krankheitsangst – hier erklärt er, was Hypochondrie wirklich ist.

    Viele Menschen haben Angst vor Krankheiten – dieses Symptom allein ist allerdings nicht gleichzusetzen mit der Diagnose «Hypochondrie». Dafür müsste diese Befürchtung länger als ein halbes Jahr andauern und auch die Abklärung beim Arzt nicht zu nachhaltiger Beruhigung führen. Bei den Betroffenen kommen Zweifel auf, ob sie wirklich gründlich untersucht wurden, ob sie dem Arzt alles richtig erzählt haben. Entscheidend für die Diagnose Hypochondrie ist aber, ob ein Mensch sehr unter den Ängsten leidet, ob sein Leben beeinträchtigt ist, weil die Angst ihn Konzentration und Zeit kostet, weil er zum Beispiel ständig im Internet nach Diagnosen sucht und Ärzte konsultiert. Das ist bei weniger als einem Prozent der Bevölkerung der Fall.
    Betroffene suchen nach Informationen, wenn sie fürchten, eine bestimmte Krankheit zu haben. Aber sonst vermeiden sie Themen wie Tod und Krankheit oft, um sich nicht weiter zu sorgen. Allerdings tauchen diese Themen ständig auf, fast in jeder Zeitschrift, nahezu in jedem
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