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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
Autoren: Miklós Bánffy
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bereits in Klausenburg, wohin sie sich einen Tag nach den Ereignissen begeben hatte, da es ja wegen des Kranken viel zu erledigen gab. Auf den ersten drei Seiten berichtete sie darüber, was geschehen war. Trocken zählte sie die Tatsachen auf, schilderte sie Tag für Tag wie in einer Chronik. Kurze, schicksalhafte Sätze standen im Brief, ein jeder ein Hammerschlag. Der letzte: »Vorgestern, am Morgen des ersten Dezember, wurde der Arme nach Klausenburg transportiert.«
    Von da setzte sich der Brief abgehackt fort. Einzelne Worte strich sie und ersetzte sie durch andere.
    »Damit ist alles, alles zu Ende. Ich kann mich nicht scheiden lassen, und Du kannst mich nicht heiraten. Niemals! Verstehst Du? Nie, solange er lebt. Und er kann beliebig lang am Leben bleiben, uns auch überleben. Der Tod wäre für ihn zwar eine Erlösung, aber darauf zählen dürfen wir nicht. Wir können es auch nicht tun. Ebenso wenig ist mit seiner Genesung zu rechnen. Darum also ist alles zu Ende, was wir geplant haben.«
    »Und auch anderes ist vorbei: das Leben, das wir bisher gelebt haben. Nein, entgegne nichts! Du selber siehst es auch so, Du hast es so beschrieben, es oft getan. Ich habe Deine Briefe vor mir. Da heißt es: … Ist das etwa ein Leben, das wir auf solche Art leben? Stets spiegeln wir etwas vor, lügen und verstecken uns wie Diebe, die wir tatsächlich sind, ja, das sind wir, denn wir stehlen unser kärgliches Glück – manchmal eine oder zwei Stunden, selten genug eine Nacht –, und stets müssen wir uns in Acht nehmen, stets horchen wie Häftlinge, die dem Gefängnis entflohen sind … Wie wahr! Und anderswo sagst Du: … Spürst Du nicht, wie erniedrigend unsere Lebensweise ist? Wie eine Schande verheimlichen wir, was wir erhobenen Hauptes der ganzen Welt verkünden möchten … Und Du fügst hinzu: … So kann das nicht weitergehen! Ich habe dies bisher nicht beantwortet, nicht gesagt, wie sehr Du recht hast. Vielleicht war das auch unnötig. Erinnere Dich: Ich hatte schon in Venedig das Gleiche gefühlt. Darum wollte ich dort den Tod finden und in die Knechtschaft nicht mehr zurückkehren. Ja, es ist wahr, so können wir dieses Leben nicht fortsetzen. Auch ich hielte es nicht mehr aus.«
    »Denn es gibt auch anderes, über das Du nicht geschrieben hast. Und was vielleicht ich tiefer empfinde. Das Kind! Sollen wir immer in Angst leben? In Angst davor, was für mich Seligkeit wäre? Immer, in jeder Stunde? Wir sehnen uns beide danach – soll es in unseren Gedanken immer wie ein Schlag erscheinen? Das aber ist’s, was uns bevorsteht, hernach noch viel mehr als bisher. Dies erwartet uns. Nun denn, nein, das darf nicht sein! Selbst wenn ich wollte, so könnte ich nicht. Und wenn es trotzdem käme, sollten wir es von vornherein töten, oder aber es auf die Welt bringen und verstecken? Deinen Sohn verstecken? Und selbst wenn ich es auf mich nähme, wir beide dürfen es seinetwegen nicht auf uns nehmen! Ich gebrauche Deine Worte, zitiere aus Deinem Brief: Ich brauche einen Erben, der meinen Namen fortführt. Meine Sehnsucht nach ihm wächst jeden Tag. Ich bin schon in meinem 32. Jahr. In solchem Alter meldet sich dieser Wunsch wohl bei den meisten Männern. Dies ist auch die Grundlage uralter Religionen – bei jedem Volk und in jeder Gegend der Welt, ob bei den Römern, den Juden oder den Chinesen. Man will einen Erben, der die Verehrung der Ahnen und der Schutzgötter aufrechterhält; Jehovas Fluch lastet auf dem, der keinen Sohn hat. So auch meine Gefühle. Mein Geschlecht würde mit mir erlöschen, ich wäre das letzte Glied in der langen Kette, sollte sie mit mir abreißen … Dies schreibst Du. Und auch das: … Ihn in Anstand erziehen im gleichen Kreis, in demselben Glauben und zu dem Pflichtbewusstsein, wie sie mein Vater und mein Großvater gekannt haben. Und auch das Folgende schreibst Du: Dies ist die irdische Form der Unsterblichkeit, und ich vermag nicht, ihr zu entsagen. Warum all diese Zeilen an Dich? Weil es mein Wunsch ist, dass Du heiratest. Ich befehle es Dir im Namen unserer Liebe. Rechte nicht mit mir! Es muss sein! Wenn wir keinen Damm zwischen uns beiden bauen, werden wir einander nicht aus dem Weg gehen können, und wir kommen so weit, wie hier von mir beschrieben. Und tue es gleich. Es war eine gewaltige Verantwortung, den Versuch mit meiner Scheidung zu wagen. Ich war mir der Möglichkeit bewusst, dass Uzdy deswegen dem Wahnsinn verfallen könnte. Deshalb hatte ich so lange gezögert. Trotzdem
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